Raab geht essen: Mamma Mia

Hauchdünn die Auflagefläche, der Rand jedoch üppig, knusprig und innen zugleich butterweich. Unglaublich.
Thomas Raab

Thomas Raab

Der Herbst ist da, mit all seinen Vorhersehbarkeiten. Der verblassenden Sommerbräune und aufkeimenden Miselsucht. Den fallenden Temperaturen und steigenden Krankenzahlen. Und natürlich der heurigen Ballsaison, Eröffnung frühestens Ende 2021. Nix da Alles-Walzer, Sacher-Würstel, Tombola ... sondern Tanzen daheim. Möglicherweise wird deshalb aus reinster Fürsorge dieses schwindelerregende Verordnungsclubbing veranstaltet. Derart bunt geht es da zu, bleibt uns nur, an die Vernunft der Beteiligten zu appellieren. Darum zur Sicherheit ein paar Hinweise: 1. Covid-19 und Wien-Wahl 20 sind nicht dasselbe, 2. Wahlkampf ist auch ein Lockdown, 3. In je mehr Parteifarben sich Corona spalten darf, desto größer wird die Welle und bleicher werden wir. Unlustig.

Folglich lassen Sie mich Erfreuliches berichten: Nicht über das Zu-, sondern Aufsperren. Über jenen Mut, vor dem ich den Hut ziehe. In diesem Fall mit „th“. Für das gleichnamige Gastronomen-Ehepaar ein Wortspiel mit wohl überschaubarer Originalität, ein alter Huth sozusagen. Hoho. Andererseits: Selber schuld! Schließlich ist die Tatsache, erfolgreich Restaurants aus dem Boden zu stampfen, bei Gabriele & Robert Huth keine Neuigkeit: Gastwirtschaft Huth, Max – Bullen & Schweine, Huth da Moritz, Mama & der Bulle, Rinderwahn an drei Standorten, und nun wurde inmitten der Corona-Krise Jamie Olivers Italiener in das „Viva la Mamma“ by Huth verzaubert. Nur noch erstaunlich dieser Elan. Muss Huth wohl im Blut liegen. Sollten die beiden also eines Tages eine hauseigene Blutbank by Huth eröffnen, sitz’ ich dort bei einem Spritzer, und gönn’ mir ein Spritzerl. Bis dahin aber heißt es mit Mammas Speisekarte vorliebnehmen. Und ich sag Ihnen, allein diese lässt meinen Serotonin-Spiegel hochschnalzen.

Als Unterlage im A3-Format präsentiert sie Gerichte wie: Tante Ceccarelli di Bologna, Cibus Truffle, Alici Amici, Animal Lover, Pizza Antidepressiva ... All das unter dem Motto: Mamma kennt ihre Produzenten persönlich! Name für Name steht hier jeder einzelne aufgelistet, samt Kontakt. Es wird somit sonnenklar, wo dieser herrliche Rohschinken herkommt, der auf meiner Hauptspeise „Tutto Prosciutto“ landet, wo die Paradeiser, der Rucola und Grana Padano, wo dieses prämierte Mehl, das mit Naturhefe angesetzt 48 Stunden rasten darf, um im „Neapolis“-Ofen eine Pizza zu werden, wie ich sie so noch nie gegessen habe. Hauchdünn die Auflagefläche, der Rand jedoch üppig, knusprig und innen zugleich butterweich. Unglaublich. Ebenso die Vorspeise namens „Leaf me alone“, gebackene Salbeiblätter mit Zitrone. Ein Geschmackserlebnis. Und bitte kosten Sie eines der Burrata Gerichte, der frische Mozzarella mit flüssigem Kern wird Sie dahinschmelzen lassen – in wunderschönem Ambiente, geschmackvoll bis ins hinterste Winkerl. Trotzdem wirkt es, als säße man umgeben von frischen Zutaten, guten Weinen, netten Menschen in Mammas Küche. Das ist Liebe. Ja, es sind grad harte Zeiten. Wer fix zu den Gewinnern zählen will, sollte eher aus der Flasche konsumierbare Desinfektionsmittel herstellen, Prost, anstatt ein Restaurant zu eröffnen. Wobei, was ist das schon, ein Gewinner? Mein Bundeshauptstadt Ohrwaschl hört da sowieso stets ein „Geh Wiener!“ mit heraus. Und das kann alles Mögliche bedeuten: Schleich di! Net woahr! Ja sakra! Jetzt schurl und hol mir! Oder, wie in diesem Fall, ein wohlgemeintes: Husch, husch, auf zu: Viva la Mamma. By Huth. Schmeckt herausragend gut. Tut gut. Spendet Mut. Können wir dringend gebrauchen. Danke fürs Aufsperren.

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