Kralicek geht essen: Das Theaterbuffet

Außer in zwölfstündigen Marathonaufführungen gibt es rein physiologisch keinen zwingenden Grund, im Theater feste Nahrung zu sich zu nehmen.
Wolfgang Kralicek

Wolfgang Kralicek

Nie war die Frage „Gibt es eine Pause?“ im Theater so wichtig wie in diesen Tagen. Die Theaterpause ist zum Risikofaktor geworden. Die Menschen nutzen sie entweder dazu, aufs Klo zu gehen, oder, im Gegenteil, am Buffet etwas zu sich zu nehmen.

An beiden Orten kann es eng werden: Ansteckungsgefahr! Bei den Salzburger Festspielen, den Pionieren des Coronatheaterbetriebs, haben sie die Theaterpause heuer radikal gestrichen. Gespielt wurden nur Stücke, die dem Publikum ohne Pause zuzumuten sind – als kritische Marke gelten da etwa zwei Stunden –, die Mozart-Oper „Così fan tutte“ wurde sogar ein wenig zurechtgestutzt, um sie coronatauglich zu machen. Im Burgtheater oder an der Staatsoper hingegen gibt es nach wie vor Vorstellungen mit Pause. Verständlich: Sie haben dort einfach zu wenige kurze Aufführungen im Repertoire, und aus „Don Karlos“ oder „Parsifal“ müsste man schon mehr als die Hälfte Rausstreichen, das wäre künstlerisch schwer zu verantworten. Im Theateralltag kommt man ohne Pause also nur schwer aus. Es muss darum gehen, die Theaterpause sicherer zu machen. Den Toilettenbesuch kann man den Menschen schlecht verwehren, die Gesetzmäßig- keiten des Stoffwechsels sind ja der Hauptgrund dafür, dass es überhaupt Pausen braucht. Aber muss es in der Pause auch ein Buffet geben? Außer in zwölfstündigen Marathonaufführungen gibt es rein physiologisch keinen zwingenden Grund, im Theater feste Nahrung zu sich zu nehmen. Gut, etwas trinken sollte man schon können; aber da könnten die Theater ja Wasser zur Verfügung stellen. Mehr ist nicht nötig. Ein ernsthaftes Problem damit, ein paar Stunden ohne Drink auszukommen, haben nur Alkoholiker – und die findet man im Theater doch eher auf der Bühne als im Zuschauerraum (bitte, entschuldigen Sie den billigen Insiderwitz).

Eine Pause ohne Buffet ist theoretisch denkbar, aber eine schöne Vorstellung ist das nicht. Es stimmt schon: So ein Theaterbesuch ist eine ernste Sache, da geht es um das Schöne, Gute, Wahre und nicht um kulinarische Genüsse. Andererseits ist Theater eben auch eine Form von Abendunterhaltung, und da gehört für viele ein gutes Glas einfach dazu. Dagegen spricht im Prinzip auch gar nichts. Das Problem ist ja nicht das Buffet an sich, sondern das Gedränge davor. So gut organisiert kann ein Theaterbuffet gar nicht sein, dass es nicht zu Engpässen kommt, wenn ein paar Hundert Leute innerhalb von ein paar Minuten verköstigt werden möchten; und da reden wir jetzt noch gar nicht davon, dass diszipliniertes Anstellen noch nie eine Stärke der Österreicher war. Den Großteil der Pause verbringt man damit, sich anzustellen. Und wenn man dann endlich dran ist, hat man eigentlich keine Zeit mehr, die erworbenen Speisen und Getränke auch zu konsumieren. Auch ohne die Gefahr, sich ein Virus einzufangen, gibt es angenehmere Arten, sich die Zeit zu vertreiben.

Das Pausenbuffet sollte deshalb nicht abgeschafft, sondern neu organisiert werden. In manchen Theatern war es schon vor Corona möglich, seine Pausenverpflegung im Voraus zu bestellen; die Brötchen und die Piccolos stehen in der Pause dann schon bereit. Früher fand ich das spießig und unsportlich, es erinnerte mich ein bisschen an Leute, die am Hotelpool ihre Liegestühle mit Handtüchern besetzen. Heute begreife ich, wie visionär das war.

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