Raab geht essen: Die Birgit, der Zorro und das Gebirge

Auf den burgenländischen Hängen des Leithagebirges herrscht eben eine andere Zeitrechnung. Die Weinzeit.
Thomas Raab

Thomas Raab

Ein Tiroler bekäme wohl einen Lachkrampf. Diese Hügerln sollen ein Gebirge sein? Der höchste Gipfel (Sonnenberg) liegt mit seinen 484 m immer noch 36 m unter der niedrigsten Talstation Tirols („Skigebiet“ Langkampfen / 1 Lift). Ebenso 484 m schafft auch der Kahlenberg und ist trotzdem nur Teil eines, nach Wien benannten Waldes. Gebirge, ha! Ein Witz. Ja und das als Leiter ausgesprochene Leitha schlägt dem Fass den Boden aus, denn wer denkt da schon an einen Fluss, und nicht an hinauf. Hier aber geht es abwärts. Sowohl im geografischen Sinn zum tiefsten Punkt Österreichs (114 m/Seewinkel), als auch mit unserem Herzschlag, Blutdruck, der inneren Spannung, dem Tempo. Auf den burgenländischen Hängen des Leithagebirges (umgangssprachlich: Leithaberge) herrscht eben eine andere Zeitrechnung. Die Weinzeit. Damit ist nicht die Visionärin Irmgard Bickel und ihr Versandhandel biozertifizierter Weine gemeint (www.weinzeit.at), sondern dieses einzigartige Lebensgefühl. Für einen Moment Teil eines Kreislaufes werden, und dabei trotzdem fast stillstehen. Das Leithagebirge nämlich bildet mit seinem Schiefer, Muschelkalk und kristallinem Quarz den Gipfel jenes Kulturguts, für das dieses Land rund um den Globus so geschätzt wird. Den Wein. Die Königin der Leithaberge ist zweifelsohne die Starwinzerin Birgit Braunstein. Wahrscheinlich wurde sie einst aus einer Rebe in diese Welt herausgeboren, so verwurzelt und eng verwoben mit ihren Gärten lebt sie in Purbach. Uneitel aber mit dem allerhöchsten Anspruch, der Natur erst zu geben, um auch nehmen zu dürfen. Alles biologisch und biodynamisch. Kürzlich fand in ihrem Weingut ein Markttag mit Schmankerln statt. Inmitten der Wiese waren kleine Stände aufgebaut, zu kaufen gab es wenig und deshalb so viel: Es schwingen eben stets die Umstände den Zauberstab, da kann sogar ein Hauben-Restaurant zur Hölle werden, das Einfache hingegen zum Himmel. Wie an diesem Samstag. Die Neusiedler Kultband Doc Zorro gab entspannt in der Wiese sitzend von „Sittn’ on the Dock oft the Bay“ bis „Purple Rain“ Monumente der Ewigkeit zum Allerbesten, Martin Allram sein einzigartiges Demeter Brot. Mit der Hand haben wir es gebrochen, in die sensationellen Frischkäsespezialitäten des Biohofes Reumann getunkt, verschiedenste Oliven-Köstlichkeiten von Barbara Gamerith und ihrem eigenen Olivenhain auf Mykonos verkostet, Fleisch- & Wurstwaren vom Krautbaron, uvm. Alles biologisch und regional (außer die Babyelefanten-Eltern zwischen den Heurigentischen). Und als Krönung dazu die Weine von Birgit Braunstein. 60 Prozent ihrer Ware werden in alle Welt exportiert, da bleiben dann wenigstens noch ein paar für uns. An diesem Nachmittag besonders der fruchtige Rosé und vor allem das Geschmackserlebnis namens Rosenquarz. Ein prickelnder Pétillant Naturel Rosé. Nach einer uralten Methode aus den besten Trauben direkt in der Flasche vergoren. Keine Hefe, kein Zucker, kein Schwefel. Jede Bouteille ein Unikat. Hier ist Wein als Kultur zu verstehen, nicht um ihn zu saufen, sondern zu genießen und somit zu schmecken. Auch all die Liebe dahinter, die harte Arbeit, den hohen Anspruch. Ich weiß ja nicht, wie das bei Ihnen so ist, aber ich fress’ leider viel zu oft hirnlos in mich hinein, und kau’ zu wenig. Dabei ließe sich allein durch das Gegenteil die innere Getriebenheit austricksen. Wem es also geht wie mir: Über das Leithagebirge wäre eine Richtung, die möglicherweise helfen könnte:

Weingut Birgit Braunstein, Hauptgasse 18, 7083 Purbach am Neusiedler See,
weingut-braunstein.at

Kommentare