Raab geht essen: Gemma Türkis

Hingesetzt hab’ ich mich, neben diese gigantische Vitrine, das farbenfrohe, so appetitliche Allerlei bestaunt, der Orient sprang mir kulinarisch ins Gesicht, dahinter der sich drehende Spieß.
Thomas Raab

Thomas Raab

1. Dies ist keine Wahlwerbung. Und 2. Falls Sie heut’ noch nichts verschenkt haben, gern zu Blumen, Schoko, Duftwässern greifen, obwohl dieser 14. Juni klassisch nach Whiskey, Rasierwasser, Tabak schreit – oder Speck, wer’s mag, weil Vatertag. Morgen ist dann übrigens der Tag des Windes, was natürlich keineswegs bedeuten soll: Geht der Papa vorbei, ist sein Lüftchen nicht weit. Wobei, so unter uns: Die Blähsucht, das Sichaufblasen ist jetzt vermutlich kein weibliches Laster. Szenen wie muttertags werden heute demzufolge ausbleiben, wenn mit der überreichten Gerbera in Händen Tränen fließen, jeder glaubt es ist die Rührung, in Wahrheit aber ist es der Schmerz, sich die restlichen 364 Tage wieder behandeln lassen zu müssen, als wäre man anwesend und verschwunden zugleich – wie der Lurch. So ein Mann (ich sprech’ natürlich ausschließlich von mir) versteht es eben blendend, jeden noch so simplen Handgriff derart heroisch zu vermarkten, als hätt’ er grad solo die Kimbern & Teutonen besiegt. Und genau damit beginnt die Reise in Richtung Türkis.

Kürzlich nämlich führte mich mein Heldeninstinkt in die SCS. Über drei Stationen. Zu Hause Handwerken und dafür Applaus einheimsen, so der Plan. Station 1 logisch der Hornbach. Dann rüber zu Station 2 Grill-Heaven. Und schließlich Station 3: War ja auch wirklich eine verdammt harte Zeit, dieser Frühling ohne Ikea. Doch vorbei. Endlich wieder einkaufen und es irgendwann zurückbringen dürfen. Mein Wagen also voll mit Högön & Kuddarna drangen irgendwo zwischen Själland & Äpplarö Stimmen an mein Ohr: „Wos is? Gemma Türkis?“ Was glauben Sie, wie neugierig ich wurde! Türkis? Ist der Nehammer hier? Wien Wahlkampf jetzt schon? Also g’schwind das Wagerl stehen lassen und hinterher, durch die angenehm leere, von mir sonst gemiedene SCS. Schnell waren die beiden, oder ich so langsam. Fünf Covid-19-Kilo plus hängen sich eben an. In der Fresszone schräg vis-à-vis zweier Wiener Kulturgüter, eines bestehend seit 1902, sprich der Trzesniewski, und eines seit 1953, sprich die Confiserie Heindl, verstand ich es dann. Gemma Türkis bedeutet: Auf zum Türken. Eine der größten Fast-Food-Ketten Wiens nennt sich so. Ein Familienunternehmen aktiv seit 1990. Hingesetzt hab’ ich mich, neben diese gigantische Vitrine, das farbenfrohe, so appetitliche Allerlei bestaunt, der Orient sprang mir kulinarisch ins Gesicht, dahinter der sich drehende Spieß. Wäre ich ein Luftesser und ausnahmsweise noch nicht tot, vielleicht hätte mich allein der herrliche Duft schon gesättigt. So aber musste etwas Handfestes her.

In diesem Fall tatsächlich, trotz sensationeller Karte.

„Nur“ ein Kebab. Gleich mit den Fingern. Gibt ja zurzeit kein hygienischeres Essbesteck, weil dauerdesinfiziert. Und ich sag Ihnen, die Brotflade aus der eigenen Bäckerei war knusprig & weich zugleich, die Zutaten herrlich frisch & regional, das (garantiert österreichische) Fleisch saftig, die Sauce ein Gedicht, der Kellner außerordentlich höflich, das Ambiente wie Urlaub, die Gerichte auf den Nebentischen eine Einladung wiederzukommen – und bitte: Lassen Sie sich unbedingt einen türkischen Kaffee servieren. Sie werden staunen. Türkis sei ihre Herzensangelegenheit, verkündet die Familie Babayigit per Homepage. Das glaub’ ich. Bravo. Wo es danach hinging? Logisch zum Heindl. Schoko für meine Damen. Denn ganz ehrlich: Wer bitte braucht Vatertage? Also liebe Herrn: Falls Sie heut’ noch nichts verschenkt haben ... Gemma, gemma.

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