Kralicek geht essen: Die Tankstelle

Heute gilt die Tankstelle in der Stadt nur noch als Schandfleck oder Platzverschwendung.
Wolfgang Kralicek

Wolfgang Kralicek

Das Image der Tankstelle war auch schon einmal besser. Früher stand sie für grenzenlose Freiheit und neonbunt glitzernde Urbanität. Heute gilt die Tankstelle in der Stadt nur noch als Schandfleck oder Platzverschwendung. Wäre ein Montessori- Spielplatz nicht die sinnvollere Nutzung? Und wie viele schöne, teure Single-Apartments man stattdessen errichten könnte! Einst war sie die Wasserstelle der Moderne, inzwischen ist die Tankstelle hauptsächlich der Ort, an dem diese üblen fossilen Brennstoffe verkauft werden, und das auch noch zu immer unverschämteren Preisen. Immer mehr Menschen können sich eine Welt ohne Autos gut vorstellen, jedenfalls eine ohne Verbrennungsmotoren.

Das Problem ist nur, dass das dann auch eine Welt ohne Tankstellen wäre. Und eine solche ist bis auf Weiteres nicht wirklich vorstellbar. Sonn- und feiertags ist die Tankstelle die letzte Rettung, wenn einem die Milch, das Brot oder das Bier ausgegangen ist. (Oder wenn, bis vor Kurzem ganz wichtig: ein Gurgeltest abgegeben werden muss.) An Benzin und Diesel verdienen die Tankstellenbetreiber praktisch nichts (ihr Anteil beträgt rund ein Cent pro Liter), das Geschäft machen sie fast ausschließlich mit dem, was sie sonst noch alles verkaufen. Ent- sprechend umfangreich ist das branchenfremde Sortiment, das dort heute angeboten wird. Tank- stellen sind längst kleine Supermärkte geworden (manche werden tatsächlich von Billa oder Spar betrieben), nur Einkaufswagen, Frischfleischtheke und Pfandflaschenrückgabeautomaten gibt’s noch keine.

Nicht nur als 24/7-Nahversorger ist die Tankstelle unverzichtbar, auch als gastronomische Notaufnahme erfüllt sie eine wichtige Funktion.

Ohne Tankstelle gäbe es in vielen Ortschaften überhaupt kein Wirtshaus mehr. Kulinarisch darf man zwar keine allzu großen Ansprüche stellen. Das gastronomische Angebot beschränkt sich meist auf Kaffee und kalte Getränke, dazu werden Mehlspeisen und Sandwiches gereicht. Wenn es überhaupt warme Küche gibt, dann höchstens in Form von Leberkässemmel, Spezialtoast oder Pizzaschnitte. Aber die Leute kommen ja auch nicht zum Essen in die Tankstelle, sondern zum Tanken.

In der Tankstelle geht’s, reden wir nicht drum herum, um Alkohol. Bier, Spritzer, Jägermeister sind hier die dominierenden Themen. Früher wurden dazu stangenweise Marlboro und Co verbrannt, weshalb die meisten Tankstellen-Buffets bereits nachmittags so verraucht waren wie ein Vorstadt- Tschocherl in den frühen Morgenstunden. (Verkauft werden Zigaretten in den Tankstellen übrigens immer noch, Trafik-Ersatz sind sie nämlich auch.) Einerseits ist die Tankstelle gastronomisch also nicht der Rede wert. Andererseits zeigt sich an der Tankstelle, wie wenig es für ein funktionierendes Lokal eigentlich braucht: Es muss nur offen haben und gekühlte Getränke ausschenken.

Angesichts mancher Tankstellen-Stammgäste wünscht man sich, dass sie nicht mit dem Auto da sind. Lustigerweise kommen einige von ihnen tatsächlich zu Fuß, manche haben nicht einmal ein Auto. So gesehen hat sich die Tankstelle längst unabhängig vom Auto gemacht. Das ist beruhigend. Ja, das von einem Verbrennermotor angetriebene Auto wird früher oder später aus dem Straßenbild verschwinden. Die Tankstelle aber muss bleiben!

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