Rabinowich geht essen: Im Bett mit Ente

Das Reisen ist der Autorin Lust, wenn auch nicht mehr ganz so ersehnt wie zuvor wegen nicht enden wollender Corona-Zeiten.
Julya Rabinowich

Julya Rabinowich

Aber sogar jetzt lässt eine Lesereise das Herz höherschlagen, immer noch. Dieses wilde Gefühl, zu einem Abenteuer aufzubrechen wie damals, mit achtzehn, auf Interrail. Nur mit mehr Waschmöglichkeiten! Ein Abenteuer ist es ab und an durchaus immer noch, die Deutsche Bahn hat gewisse Parallelen zum Bermudadreieck, und nur, weil man ein Ticket mit Platzreservierung erworben hat, heißt es noch lange nicht, dass man so wie man plante, am gebuchten Platz sitzend und zur angegebenen Zeit auch am Zielort ankommt – denn der Mensch denkt und DB lenkt.

Und ihre Wege sind manchmal unergründlich. Ist doch eigentlich logisch und folgerichtig. Dieses Frühjahr führte mich die Reise erst nach Köln auf die litcologne, eine meiner liebsten Veranstaltungen überhaupt. Köln ist immer gefährlich, weil es dort ein Trippengeschäft gibt, und Trippenschuhe in Wien sehr rar gesät sind. Danach ging es weiter nach Dresden, das mir sehr ans Herz gewachsen ist – die barocken Gebäude und der Kulturpalast, die Brücken über die Elbe, und die Ente aus dem Rohr. Diese zu verkosten, war ein zwingender Auftrag aus ostdeutschgeprägtem Freundeskreis, und ich machte mich artig auf die Suche nach der Ente, kaum war ich von der Bühne heruntergesprungen.

Zugegebenerweise war ich nach drei Auftrittstagen hintereinander so platt, und die Aufmerksamkeit, die ich der Ente entgegenbringen wollte, war so beschränkt, dass ich sie als Notlösung im Bett zu verspeisen trachtete, um gleich danach in Morpheus’ Arme zu sinken. Nein, nicht der aus Matrix, der andere. Die Ente war heimisch in der Kutscherschänke, die sich selbst als uriges Gasthaus definierte, und das Risiko, in einer Touristenklatsche aufzuschlagen, ging ich vor Hunger ein. Und es war gut so.

Die Ente wurde in meine Gemächer gebracht und von mir in mein Bett geleitet. Sie bot mir ihre zarte Flanke mit einem kurvigen Schenkelchen, zwei kleine, runde, elastische Kartoffelklöße, die mir eigentlich besser mundeten als hiesige Kartoffelknödel, und üppig purpurnes Rotkraut. Ich wälzte mich mit ihr schamlos in den Laken, bis ich ermattete. Die Nachspeise bestehend aus zwei ortsüblichen Quarkkeulchen – ihres Zeichens zart herausgebackene Topfengüpfchen mit Apfelmus – musste ich für später aufheben, die Ente hatte mich bereits an meine Grenzen und darüber hinaus gestoßen.

Das Einzige, das ich auf Nachfrage anzukreiden wagte, war ihre Haut, die knuspriger hätte sein dürfen. „Es heißt aber nicht knusprige Ente, sondern Ofenente,“ ging die ostdeutsche Connection in Verteidigungsmodus über. Meine Ente war eindeutig eine Bettente, aber ich wagte nicht zu widersprechen. „Und die Keulchen?“ wurde ich daraufhin streng abgeprüft. In der Zentralbibliothek, im Kulturpalast gab es neben einem riesigen Konzertsaal auch einen Kabarettraum, dessen Wurzeln noch auf die DDR zurückgingen und der „Herkuleskeule“ hieß, was mir im falschen Augenblick einfiel. „Die Herkuleskeulchen waren hervorragend,“ beeilte ich mich zu sagen. Und war sofort der Gschichtldruckerei überführt.

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