Rabinowich geht essen: Schopenhauern

Philosophie führt zum Erwachen. Der eine möchte Zuckerbrot und Peitsche, der andere wartet...
Julya Rabinowich

Julya Rabinowich

... Auf erhellende Lichtstrahlen beim Fass, der dritte möchte vielleicht nur ein knuspriges Stück Sauerteigbrot mit Avocado, pochierten Eiern, Zitronentopfen und Babyspinat.

Den Letzteren kann man sehr gut verstehen. Manchmal ist das, was der Mensch zu seinem Erkennen und Entfalten benötigt, einfach ein zartes, nachgiebiges pochiertes Ei mit ausbalancierter sonnengelber Dotterfüllung. Die Kombi ist Plato gewidmet, und wenn sich dies alles auf einem Silbertablett und durchscheinendem Glaskaräffchen mit schwarzem Tee auf Marmortischchen materialisiert, hat man das Café Schopenhauer betreten und sich zwischen Tarocktischen und eleganter Bar niedergelassen.

Die Frühstücksmöglichkeiten: Jefferson, Thomas eröffnet mit klassischen Ham and Eggs, minimalistischer liebt es Simone de Beauvoir mit Espresso und Zigarette. Rosa Luxemburg geht es etwas gesünder an mit hausgemachtem Granolamüsli mit frischen Beeren. Darüber weht der Geist des namensgebenden Hausherrn, als Frühstück mit Speck und Kernöl, als großformatiges Bildnis.

Sein Blick fällt über die Discokugel und die glänzende Bar, die eleganten Hängelampen, die Ohrensessel, die zu einem bedächtigen Lesen von Buch und Zeitung animieren, oder zum Schließen der Augen, um den Gedanken mehr Spielraum zu geben. Zieht weiter zu den Büchertischen der integrierten Buchhandlung, beladen mit Aktuellem und Klassischem.

Morgens dominiert noch das ruhige Besinnen des Tages, durchbrochen von kleinen Philosophen, die auf allen vieren zwischen den Stühlen wieseln. Im Schopenhauer kann man diesen Tag bis in den Abend auslaufen lassen. Nachmittags füllen sich die Spieltische, der Geräuschpegel steigt und später ergießt sich Live-Klavierspiel über die Sitzenden.

Neben Büchern gibt es in Reih und Glied aufgestellte handgemachte Marmeladen und Gelees. Ich erwarb Quitte-Tomate. Man soll nicht sagen, das Schopenhauer würde seine Magie nur in den eigenen, behutsam und geschmackvoll revitalisierten Räumen wirken.

Zu Hause schmierte ich die Neuerwerbung auf die Buttersemmel und schon gab es eine heftige Überraschung: Es handelte sich um Ketchup. Philosophie ermöglicht neue Erfahrungen.

Staudgasse 1, 1180 Wien,
Tel. 01/406 32 88
cafeschopenhauer.at,
geöffnet von Dienstag bis Samstag 8–24 Uhr, am Sonntag 8–22 Uhr

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