Kralicek geht essen: Das Schweizerhaus

Es ist riesig, es ist laut, es ist Systemgastronomie. Und doch ist es für viele Wienerinnen und Wiener mehr als ein Gasthaus mit großem Biergarten.
Wolfgang Kralicek

Wolfgang Kralicek

Eigentlich ist das Schweizerhaus so ziemlich das Gegenteil davon, was wir uns unter einem gemütlichen Ort vorstellen. Es ist riesig, es ist laut, es ist Systemgastronomie. Und doch ist es für viele Wienerinnen und Wiener mehr als ein Gasthaus mit großem Biergarten. Für seine Fans ist das Schweizerhaus ein irgendwie magischer Platz.

Was macht diese gastronomische Institution so besonders?

Erstens: das Bier. Nirgends ist Bier so süffig wie im Schweizerhaus, es trinkt sich einfach besser als anderswo. Das erste Krügel ist so schnell weg, dass man eigentlich gleich zwei bestellen müsste. Andererseits bleibt man im Schweizerhaus ohnedies nie lang vor einem leeren Glas sitzen, die Kellner sind da sehr fürsorglich. Und kommen Sie nicht auf die Idee, ein Seidel bestellen zu wollen! „Warten S’, bis an Duascht ham!“ heißt es dann bestenfalls. (Man wüsste gern, was sich die Bundesregierung anhören musste, als sie im Mai, zur Wiedereröffnung der Gastronomie, demonstrativ das Schweizerhaus besuchte und dann nur Mineralwasser bestellte.) Warum das Budweiser im Schweizerhaus so gut ist? Weil beim Zapfen Stickstoff statt Kohlensäure verwendet wird, hört man immer wieder. Aber das ist nur einer der zahlreichen Mythen, die sich um das Schweizerhaus ranken. Tatsächlich ist die Erklärung viel einfacher: Der mehrstufige Zapfvorgang dauert ein paar Minuten, wodurch sich ein Teil der Kohlensäure verflüchtigt und das Bier bekömmlicher wird. Wartezeiten ergeben sich durch den aufwendigen Prozess keine, weil im Schweizerhaus ohnedies praktisch ununterbrochen gezapft wird.

Zweitens: der Garten. Es gibt zwar einen Indoor-Bereich, aber niemand kommt hierher, um drinnen zu sitzen. 1.700 Plätze stehen draußen zur Verfügung, da ist meistens einer frei; große alte Nussbäume sorgen für Schatten. Das Schweizerhaus müsste eigentlich Schweizergarten heißen, wenn es den nicht schon gäbe.

Drittens: die Stelze. Auf der Speisekarte stehen auch viele andere Gerichte, die angeblich alle sehr gut sind. Rund ein Drittel der Gäste aber bestellt Stelze, das „signature dish“ des Schweizerhauses. Dass die Stelze stets binnen wenigen Minuten auf dem Tisch ist, sollte einem übrigens nicht verdächtig vorkommen: Die Frequenz macht’s möglich, dass im Schweizerhaus in Slow-Food-Manier gekocht und in Fast-Food-Tempo serviert wird.

Viertens: die Lage. Das Schweizerhaus liegt im Wurstelprater. Und obwohl die wenigsten Gäste auch andere Attraktionen wie Hochschau- oder Geisterbahn frequentieren, spielt das Umfeld eine entscheidende Rolle für das spezielle Schweizerhaus- Feeling, in dem immer auch ein wenig Urlaub mitschwingt. Hier zu sitzen ist wie Hochschaubahn, nur ohne Todesangst. Ohne Wurstelprater wäre das Schweizerhaus nur ein – allerdings besonders guter – Biergarten. Umgekehrt wäre der Wurstelprater ohne Schweizerhaus nur ein – allerdings besonders traditionsreicher – Vergnügungspark. Zusammen erzeugen sie diesen unverwechselbaren Ausnahmezustand, der in Wien immer und überall nur ein paar U-Bahn-Stationen entfernt ist. Apropos öffentliche Verkehrsmittel: Wer im Schweizerhaus zu viel getrunken hat, kann theoretisch auch mit der Liliputbahn nach Hause fahren.

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