Rabinowich geht essen: Space Gulasch

Wer einen unfreiwilligen Ausflug ins Raumschiffzeitalter unternehmen möchte, der folge mir zu McDonald’s.
Julya Rabinowich

Julya Rabinowich

Man soll nichts aufwärmen, was vorbei ist. Keine Liebesgeschichten, keine Modeverfehlungen. Gar nichts, bis auf ein Gulasch. Das Gulasch wird nämlich besser. Und Gulasch bleibt das Einzige, das besser wird. Es wird hier aber nicht um Gulasch gehen, zum tiefsten Bedauern der Autorin. Gehen wird es um Kindheitserinnerungen und deren ernüchternden Aufschlag in der Gegenwart, obwohl festgehalten werden muss, dass diese Gegenwart deutlich von Dystopien zehrt und einen Drall ins unselig Fantastische entwickelt. Wer einen unfreiwilligen Ausflug ins Raumschiffzeitalter unternehmen möchte, der folge mir zu McDonald’s. Ja, ich war als Kind gerne dort. Ja, ich hatte als Kind nie die Möglichkeit, all das abzuräumen, auf was ich Lust hatte: Zuerst hatten meine Eltern kein Geld dafür und später reichte mein Taschengeld nur für einen Hamburger oder einen Shake oder eine Apfeltasche, nie für alles, schon gar nicht für ein Menü. Und auch wenn man ahnt, dass Kindheitswünsche im Erwachsenenalter meistens eine flaue Enttäuschung statt Erfüllung bringen, ich musste es wissen. Und nun: Jetzt weiß ich es. Und was ich weiß, ist tragisch.

Die Apfeltasche ist noch da, sieht aus wie in den Achtzigern und schmeckt sogar ähnlich.

Als Erstes weiß ich nun, dass man nicht nur den Profilfotos auf Tinder niemals trauen sollte, sondern auch den auf Hochglanz polierten Abbildern der McDonald’s-Speisen. Sie sind irgendwie nicht sie selbst, und zwar ganz ohne Snickers! Die Apfeltasche ist noch da, sieht aus wie in den Achtzigern und schmeckt sogar ähnlich. Allerdings hat sie offenbar die Hauptrolle bei „Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft“ gespielt. Diese erbärmlich dünne kleine Stange kann nie und nimmer jene Apfeltasche sein, an der ich mir 1982 die Finger verbrannt habe! Und dann: Pappe, Pappe über alles. Brötchen, Panade, Chili Nuggets: schmeckt brüderlich gleich. Einer für alle, alle für einen. Glücklicherweise habe ich den Karton mit den Crispy Chickenstripes, die alles andere als crispy waren, gleich zwei Mal auf die Straße fallen gelassen, dadurch gab es wenigstens beim dritten Essversuch das Gefühl, etwas wirklich Echtes zwischen die Zähne zu bekommen: ein paar Hundehaare und ein bisschen Erde. Und der Milkshake sah auf dem Foto so schön aus. Im Becher wartete dann ein leicht gallertig wabernder Mr. Hyde. Nein, um ehrlich zu sein: Der Milkshake erinnerte an diverse dystopische Filmentwürfe als alles andere – ein wenig Matrix-Proteinschleim, ein wenig cremiges Soylent Green. Sogar der Cheesecake hatte etwas gummiartig Elastisches. Erfahrungen, die ich trotz dem Wunsch, meiner Zeit voraus zu sein, eigentlich nie machen wollte. Man soll nicht versuchen, zurück in die Zukunft zu gehen, es endet, wie auch Marty McFly ausgiebig kennenlernen durfte, meistens fatal. Einen Lichtschimmer am Horizont muss es aber auch für Zeitreisende geben: Der Eiskaffee war okay. Den habe ich als Kind nie getrunken.

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