Gelderziehung: Familie und regelmäßiges Taschengeld sind am besten

Euro-Münzen, Sparschwein und ein Taschenrechner
Große Forschungsarbeit bei mehr als Tausend 13- und 14-Jährigen über „finance literacy“. Schule spielt fast keine Rolle. Interview mit dem Studienautor.

Die zentrale Rolle der Eltern sowie regelmäßiges und fixes Taschengeld sind – verkürzt zusammengefasst – die fast naheliegenden und doch in der Ausgeprägtheit für den Forscher selbst überraschenden Ergebnisse der umfangreichen Studie „Jugendliche und ihr Umgang mit Geld“. Dass die Schule so wenig Rolle bei dieser Frage spielt, wäre Anlass für eine Lehrplanreform des Unterrichtsprinzips Wirtschafts- und Verbraucher/innenbildung. Stefan Grohs-Müller, Lehrender am Campus Wieselburg, der zur Fachhochschule Wr. Neustadt gehört, hat für seine empirische Untersuchung deutlich mehr als 1000 junge Jugendliche (höchstens 14 Jahre) befragt.

Repräsentativ

Erfahrungen, Einstellungen und Verhaltensweisen rund um Geld und Finanzen hat der Forscher unter Schüler_innen gegen Ende der Sekundarstufe I (5. bis 8. Schulstufe) in ganz Österreich erhoben. Mehr als zwei Drittel der Befragten waren 14 Jahre, der Großteil der Erhebung fand in Wien-, Nieder- und Oberösterreich statt. Mädchen und Burschen kamen zu je rund 50 Prozent zu Wort, ähnlich die Aufteilung zwischen Mittelschulen und AHS-Unterstufen, rund ein Viertel der Fragebogen-Ausfüller_innen hatten Migrationshintergrund. Stefan Grohs-Müller führte die Befragungen im Rahmen eines Forschungsprojektes sowie seiner Doktorarbeit an der WU Wien (Wirtschaftspädagogik) durch. Aufgrund der Anzahl und Aufteilung der Befragten kann die Studie wohl repräsentativ genannt werden.

Was diese Studie von anderen, früheren von den der Autor auch viele in seiner Arbeit zitiert, unterscheidet: Fokussierung auf jüngere Jugendliche, eben in der sogenannten Sekundarstufe I, also Mittelschulen bzw. AHS-Unterstufen. Vor der umfangreichen quantitativen Fragebogen-Erhebung unter 1343 Schüler_innen organisierte der Forscher eine kleine qualitative Untersuchung. Aus ausführlichen Interviews mit rund drei Dutzend Jugendlichen destillierte er jene Themenstellungen heraus, die dann Eingang in den Fragebogen gefunden haben.

Schuldnerberatungen

Wie wichtig eine (Früh-)Erziehung in Geldangelegenheiten ist, beleuchten nicht zuletzt Erfahrungen der Schuldnerberatungen. Mehr als ein Viertel der Erstberatungen erfolgten mit Menschen unter 30 Jahren, durchschnittlicher Schuldenstand fast 28.000 € (Erhebung aus 2013). Im Alter von 12 bis 14 Jahren borgen sich schon fast zwei Drittel der Jugendlichen von Freund_innen regelmäßig Geld aus. Meist handelt es sich um Ausgaben für Jause, Getränke und Süßigkeiten zitiert Grohs-Müller in seiner eben veröffentlichten Studie frühere Forschungsarbeiten. Wobei gegenseitige Ausborgen von kleineren Geldbeträgen unter Jugendlichen meist weniger als Verschuldung, sondern viel mehr als Freundschaftsdienst betrachtet wird, so der Forscher.

Gelderziehung: Familie und regelmäßiges Taschengeld sind am besten

Wenn blank, borgen Jugendliche Geld bei Freund_innen

Unter Freund_innen kaum ein Thema

Wobei, so die vielleicht überraschende Erkenntnis, Geld innerhalb der Peer-Gruppe eher wenig thematisiert wird. Fast zwei Drittel gaben ab, wenig bis kaum mit Freund_innen über Geld zu reden. In den Familien trifft dies nur auf ein Viertel zu, dort ist Geld sogar oft ein Thema, so ein Drittel der Befragten, zusätzlich meint ungefähr die Hälfte, dass immer wieder zu Hause über Geld und dessen Verwendung geredet wird.

Wenngleich mit Freund_innen nicht so oft und viel darüber gesprochen wird, beeinflussen Gleichaltrige sehr wohl aber viel und oft das eigene Konsumverhalten und damit Ausgeben von Geld.

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Noch immer hat Stefan Grohs-Müller jene E-Gitarre, für die er mit 15 Jahren den halben Kaufpreis von seinem Taschengeld bezahlt hat

Selber einteilen lernen

Verstärkt lassen sich Jugendliche vom Konsum anderer Schüler_innen beeinflussen, wenn sie nicht regelmäßig und fixes Taschengeld bekommen, sondern Eltern dann Geld geben, wenn ihre Kinder etwas brauchen/wollen. Müssen die 13-/14-Jährigen selber mit regelmäßigem, fixen Taschengeld auskommen, so kommt es eher zu Aussagen wie die folgenden aus der Studie:

„Also ich habe jetzt sehr viel gespart auf ein Moped halt und das habe ich jetzt halt auch bekommen und es fällt mir eigentlich ziemlich leicht, weil ich halt eben auch das Ziel vor Augen habe und dann lege ich das gerne weg, also ich spare es halt gerne.“

„Es fällt mir insofern leicht, weil ich dadurch die Chance habe, mir mit dem gesparten Geld etwas zu kaufen. Wenn ich ohne Ziel spare, dann überleg ich mir schon ‚Warum eigentlich?’ Aber wenn man sich immer ein Ziel überlegt, wofür man spart, dann fällt es einem schon leichter zu sparen.“

„ … ich wollte das halt von mir aus, dass ich halt was dazugebe, und dann waren sie auch stolz auf mich und ich war auch stolz auf mich, dass ich das geschafft habe.“

„ … und wenn ich jetzt eine (Jeans) kaufen soll, die 50 € kostet, nur weil klein Hollister draufsteht, dann ist das für mich einfach nur eine extreme Geldverschwendung und schwer.“

Eigene Erfahrung

Dieses Auskommen (müssen) mit knapper Geld-Ressource und sparen auf ein Ziel hin kennt übrigens der 36-jährige Forscher aus der eigenen Jugend, wie er dem Kinder-KURIER auf die entsprechende Frage anvertraut. „Ich hab mit 15 Jahren auf eine ganz spezielle E-Gitarre, eine Fender Stratocaster hin gespart. Die Hälfte kam von den Eltern, die andere von mir. Da hat mir auch ein Ritual geholfen. Ich ab von meinem Taschengeld jede Woche einen Betrag in eine Sparbox gesteckt.“

Die E-Gitarre mit der er damals in einer Band spielte, hat er noch immer, „eben weil ich selber darauf gespart habe, hat sie auch einen ganz anderen Wert. Aber jetzt spiel ich nur mehr für den Hausgebrauch“, so Grohs-Müller. Als Lehrender am Campus Wieselburg, der zur der Fachhochschule Wr. Neustadt gehört, unterrichtet er schwerpunktmäßig ökonomische Bildung, financial literacy.

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Der Forscher und sein Buch

Im Unterricht kein Thema, in der Schule nur beim Buffet

In der Schule – so die ernüchternden Ergebnisse der Studie, spiele diese praktisch keine Rolle.

„Nur 4 Prozent der befragten Schüler/innen messen der Schule als Erfahrungsort zum Thema Geld eine hohe Bedeutung bei“, so das zahlenmäßige Ergebnis aus der Untersuchung. Wenn überhaupt, dann war für die Befragten am ehesten noch das Schulbuffet und die dortigen Preise bzw. mögliche Erhöhungen derselben ein Thema im schulischen Zusammenhang.

Daraus zieht der Forscher den Schluss: „Wenn das im Jahr 2015 in Österreich ins Leben gerufene Unterrichtsprinzip der Wirtschafts- und Verbraucher/innenbildung zum kompetenten Umgang mit Geld beitragen soll, erscheint eine Überarbeitung der Lehrpläne sowie der Unterrichtsmaterialien zielführend und notwendig.“ Mehr Lebenswirklichkeiten der Schüler_innen in den Unterricht holen wäre, so Grohs-Müller zum Kinder-KURIER, die Richtung wie Finanzbildung in den Unterricht eingebaut werden könnte.

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Gelderziehung: Familie und regelmäßiges Taschengeld sind am besten

Stefan Grohs-Müller
Jugendliche und ihr Umgang mit Geld
Forschungsreihe des Instituts für Wirtschaftspädagogik der Wirtschaftsuniversität Wien
Facultas Verlag
217 Seiten
46 €

facultas.at -> Jugendliche und ...

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