Sinnlose Diäten: Warum uns nur bewusstes Essen hilft, abzunehmen
Noch ein letzter fetter Faschingskrapfen – jetzt aber runter mit den Kilos. Die Fastenzeit ist für viele Menschen ein Impulsgeber zum Abnehmen. Dann beginnt man mit irgendeiner Diät, die gerade im Netz kursiert, lässig klingt oder einen Hollywood-Star in Form gebracht hat.
Wunderkuren haben Tradition, so manche Rezepturen von einst erinnern an schräge Diätempfehlungen von heute. Laut der Medizinhistorikerin Louise Foxcroft entwickelte etwa ein gewisser William Wadd 1820 seine „Wenig-aber-oft-Diät“, bei der man Kleie, Gemüse und (giftigen) Fingerhut zu sich nahm, dazu empfahl er den Verzehr von Seife.
Heute schwört die Schauspielerin Gwyneth Paltrow auf Kaffee-Einläufe. Andere schlucken auch gerne mal ein paar Löffelchen Schlamm. Oder aber essen den ganzen Tag Karfiol (siehe Grafik) – am besten, man rät dem Partner, während der Röschen-Kur ins Hotel zu ziehen.
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Neues von der Keto-Front gibt es übrigens auch: Die ketogene Diät – eine Kombination von Intervallfasten und kohlenhydratarmer Ernährung – wird gerade entmystifiziert. Eine neue groß angelegte Übersichtsstudie zeigt, dass solche Low-Carb-Diäten das Risiko für Herzrhythmusstörungen erhöhen können. Laut Verein für Konsumenteninformation gibt es zwar Hinweise darauf, dass sie bei Übergewichtigen zu einer mindestens vergleichbaren Gewichtsabnahme wie eine fettreduzierte Diät führt, doch die Ernährung (die vor allem auf tierischem Eiweiß basiert), wirkt sich negativ auf die Lebensdauer aus.
Viel Ver(w)irrung
Diäten folgen häufig anderen Lifestyle-Trends. So war es nur logisch, dass mit dem Riesenhype um die nordische Küche auch bald die passenden Empfehlungen zur Gewichtsreduktion folgen würden. Also setzen die Abnehmjünger neuerdings auf die „Ikea-Diät“ und schaufeln täglich eine Portion Beeren in sich hinein. Gut? Schlecht? Egal? Mit jeder neuen Diätidee wird die Verwirrung größer: Was essen, warum – und wann, mit wem, wozu?
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Die meisten dieser Huschpfusch-Kuren scheitern aber sowieso, weil sie nur kurzfristige Erfolge bringen – Stichwort: Jojo-Effekt. Da nimmt man dann oft mehr zu als man vorher abgenommen hat. Fast jeder kennt das – und dennoch setzen die Menschen im Spannungsfeld zwischen Völlerei und Verzicht auf das Abnehmwunder. Ein Fehler, denn laut dem deutschen Ernährungsexperten und Buchautor Michael Handel sind wir einfach nicht für Diäten gemacht.
Er motiviert viel lieber dazu, sich „schlank zu schlemmen“ und räumt in einem neuen Buch mit gängigen Ernährungsmythen auf. Doch was macht Diäten so fatal? Wir erreichen Handel an seinem Schreibtisch, sein zweites Telefon klingelt immer wieder – Fastenzeit, da ist er ein gefragter Gesprächspartner. Seine Antwort: „Diäten gehen gegen unsere Natur.“
Das große Scheitern
Über 80 Prozent davon sind zum Scheitern verurteilt, weil sich unser Körper bei Nahrungsentzug evolutionsbedingt vehement dagegen wehrt, seine Reserven abzugeben. „Der Organismus befindet sich in einer Notsituation, wenn er nichts zu essen bekommt – und genau auf diese hat er über Jahrmillionen gelernt, zu reagieren“, sagt er. Nur der Gedanke an den Vorsatz, weniger zu essen oder an eine Diät reiche, um in Panikstimmung zu kommen. Sämtliche Alarmglocken des Körpers läuten, er stellt sich auf Mangel ein: „Das zeigen viele Studien. Nämlich, dass das Gehirn dann eine Art Notschalter umlegt und signalisiert: Vorsicht, da kommt morgen nix zu essen.“
Die Folgen: Die Kalorienverbrennung wird sofort runtergefahren, teilweise bis zu 60 Prozent – heißt: Man verbraucht deutlich weniger Kalorien als normal. Die Verdauung wird verlangsamt, der Körper versucht alles, was er hat, zu behalten. Besonders fatal: Das Hungerhormon Ghrelin wird nun verstärkt produziert. Es ist für den berühmten Jojo-Effekt verantwortlich. „Es löst dann starke Hungerbedürfnisse aus. Schlimm ist, dass dieses erhöhte Hormonniveau bis zu einem Jahr nach einer Diät hoch bleibt“, sagt Handel.
Mit Hausverstand
Und trotzdem tappen viele Abnehmwillige in die Diätfalle. „Stimmt leider“, sagt Handel, „die Menschen sind sehr gutgläubig und weil bisher keine der Diäten funktioniert hat, kommen immer wieder neue Ideen. Das ist ähnlich wie in der Kosmetikindustrie und diversen Anti-Falten-Cremen.“
Was aber funktioniert wirklich? Handel nennt’s schlicht „richtiges Essen“. Die Tipps dafür klingen recht banal. Doch Ernährungsexperten sind sich einig: Es geht im Grunde um Essen mit Hausverstand und eine langfristige Strategie. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt eine langfristige Gewichtsabnahme, die auf einer Kombination aus Ernährungsumstellung, Verhaltensänderung und einer Steigerung der körperlichen Aktivität basiert, mit 30 bis 60 Minuten Bewegung pro Tag.
„Das Gehirn legt bei Hunger eine Art Notschalter um und signalisiert: Vorsicht, da kommt morgen nix zu essen.“
Michael Handel plädiert für Regelmäßigkeit – mit einem guten Frühstück, mit einem Mittagessen und Abendessen, nicht zu spät. Auch Snacken ist in Maßen erlaubt – sogar abends. Er selbst gönnt sich zum Beispiel gerne einen Teller Nüsse, weil sie aus seiner Sicht die Verdauung und den Stoffwechsel ankurbeln.
Auch vom „To-go“-Trend oder Essen zwischendurch hält Handel wenig: „Ständig wird uns von der Werbung suggeriert, wir müssten etwas für den kleinen Hunger zwischendurch konsumieren. Doch beim Essen unterwegs wird das Sättigungszentrum im Gehirn nicht oder kaum angesprochen, man wird rasch wieder hungrig.“ Gut und richtig zu essen heißt daher auch, sich bewusst an einen Tisch zu setzen, und Bissen für Bissen zu genießen.
Das Gewicht reduzieren und halten: Fakten und Mythen
- Regelmäßige Mahlzeiten: Um Heißhungerattacken zu vermeiden, muss man zur richtigen Zeit essen und sich dafür Zeit nehmen. Das Frühstück besteht etwa zu 60 Prozent aus guten Kohlehydraten (Vollkornbrot, Getreideflocken), 30 Prozent Eiweiß (Eier, Tofu) und 10 Prozent Fett. Abend nicht direkt vorm Schlafengehen essen – idealerweise besteht die Mahlzeit aus 70 Prozent Eiweiß und wenig guten Kohlehydraten.
- Light-Produkte meiden: Sie machen nicht richtig satt, das Gehirn erkennt den Betrug und fordert „echte“ Nahrung ein. Süßstoffe fördern das Wachstum schädlicher Darmbakterien.
- Vorsicht mit 5 x Obst am Tag: Wer abnehmen will, sollte dieser gängigen Empfehlung nicht folgen, sagt Handel. Die Fruktose im Obst wandelt sich um und verwandelt sich in ungesundes Bauchfett. Das gilt auch für Fruchtsmoothies.
- Fettkiller essen: Es gibt Nahrungsmittel, die als Verdauungsbeschleuniger wirken, sie enthalten spezielle Bitterstoffe und sind etwa in Radicchio, Bittergurke oder Grapefruit enthalten.
Buchtipps zum Thema
„Nordisch abnehmen“
Die Autoren erklären, wie die skandinavische Ernährung Diabetes und Entzündungen reduziert. Verlag Riva, 15,99 €
„Die Abnehm-Docs“
Drei Mediziner geben wissenschaftlich fundiert einen Leitfaden für nachhaltige Gewichtzsveränderung. Verlag Kneipp, 25 €
„No Time to eat“
Sarah Tschernigow erzählt, wie sie von Diätwahn und Stress zu einer ausgewogenen Ernährung fand. Verlag Ullstein,12,40 €
„Genussfasten“
Elisabeth Lange hat Rezepte fürs Intervallfasten entwickelt, die die Essenspause leicht machen, Verlag GU, 20,60 €
„Warum Sie essen müssen, um abzunehmen“
Michal Handel zeigt den Weg zum Wunschgewicht, Verlag Scorpio, 20,60 €
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