Gleichberechtigt verhüten: Wann kommt die Pille für den Mann?

Bisher kam kein hormonelles Verhütungsmittel für den Mann über das Versuchsstadium hinaus.
Seit Jahrzehnten wird an einem Pendant zur Antibabypille getüftelt. Mit mäßigem Erfolg. Nun starten Forscher einen neuen Versuch.

Pink gefärbt und in dunkelgelben Schraubgläsern kam 1960 die erste Antibabypille in den USA auf den Markt. Zwei Jahre später wurde das Hormonpräparat in Österreich zugelassen – und als sexueller Befreiungsschlag empfunden. Paare konnten endlich ungewollte Schwangerschaften verhindern; Frauen wurde erstmals ermöglicht, selbst zu bestimmen, ob und wie viele Kinder sie bekommen wollten.

Eine Freiheit, die viele Frauen mittlerweile als Einschränkung empfinden. Denn Verhütung ist meist Frauensache. Das liegt vor allem daran, dass Männern nach wie vor eine bescheidene Auswahl an Verhütungsmethoden zur Verfügung steht: das Kondom und die Vasektomie.

Angesichts diverser bahnbrechender Medizinerfolge in den vergangenen Jahrzehnten erscheint das Fehlen der "Pille für den Mann" rätselhaft. Vielversprechende Ansätze gibt es schon lange, durchsetzen konnten sich Hormonmischungen zur Empfängnisverhütung bisher aber weder in Tablettenform noch als Gel, Spritze oder Implantat.

Komplexe Hindernisse

Die Gründe dafür sind vielfältig, sagt Richard Anderson, Verhütungsexperte und Professor für Fortpflanzungsmedizin an der Universität Edinburgh, im Interview mit dem KURIER. "Einige Ursachen betreffen die Biologie, andere sind struktureller Natur." Die größte biologische Herausforderung sei, dass "Männer täglich Millionen Samenzellen produzieren, während Frauen nur einmal im Monat einen Eisprung haben". Es sei medizinisch gesehen einfacher, die Reifung der Eizelle mittels Hormongaben zu verhindern, als die kontinuierliche Bildung von Spermien zu hemmen. Auch darüber hinaus gibt es Hürden: "Die Entwicklung von Hormonpräparaten für Männer war für die Industrie in der Vergangenheit nicht wirklich eine Priorität." Von wissenschaftlicher Seite gebe es durchaus ein breites Forschungsinteresse, "an finanziellen Investitionen in entsprechende Projekte mangelt es aber nach wie vor".

Bislang waren es auch unerwünschte Begleiterscheinen, die umfangreiche Versuchsreihen und letztendlich eine Markteinführung blockierten. 2011 scheiterte ein Forschungsprojekt der Weltgesundheitsorganisation (WHO), an dem auch Anderson beteiligt war, mit einer zuverlässigen Hormonspritze für Männer im klinischen Versuch. 20 der über 300 Teilnehmer beendeten die Studie wegen Nebenwirkungen wie Depressionen und Libidoverlust vorzeitig.

Dass gerade die Nebenwirkungen des Medizinprodukts dessen Etablierung verhindern, stößt vielen Frauen sauer auf. Der Vorwurf: Was Frauen als Folge der Einnahme der Pille seit Jahrzehnten ertragen müssen, würde die Wissenschaft Männern einfach nicht zumuten wollen.

Neuer Anlauf

Richard Anderson ist es nun, der mit einer weiteren Studie Hoffnung macht: Zusammen mit seinem Team startet er eine Pionierstudie zum Verhütungsgel. Derzeit werden Paare dafür gesucht, der Zulauf sei bereits jetzt groß, bestätigt er. Das Gel wird täglich auf die Schultern und Oberarme gerieben. Die enthaltenen Progestine hemmen natürliches Testosteron im Körper, so dass die Produktion von Spermien nach einiger Zeit eingestellt wird. Um den Hormonhaushalt nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen, enthält die Creme einen geringen Anteil an Testosteron. Negative Effekte auf die Libido sollen so verhindert werden.

Einen großen Vorteil des Gels sieht Anderson in der Anwendung: „Männer könne die Creme selbst auftragen und müssen nicht extra zu einem Spezialisten fahren.“ Dass man bei hormonellen Verhütungsmitteln mitunter auch leichte Nebenwirkungen in Kauf nehmen müsse, sei "die reale Welt der Empfängnisverhütung".

Ausgang ungewiss

Ob, wann und in welcher Form es tatsächlich eine hormonelle Verhütungsmethode für Männer geben wird, bleibt fraglich. "Das wird wohl noch einige Jahre dauern. Selbst, wenn unsere Studie erfolgreich ist, müsste sie zuerst mit einer viel größeren Stichprobe wiederholt werden, um genügend Beweise für die Markteinführung zu sammeln."

Bedarf dafür sieht Anderson in jedem Fall. Dabei gehe es nicht darum, die Antibabypille zu ersetzen, sondern "mehr Vielfalt für Paare anzubieten". "Es braucht zwei Menschen, um den Bedarf an Verhütung entstehen zu lassen und es ist Zeit, dass Paare auch die Verantwortung für Verhütung gleichberechtigt teilen können."

Ein Lichtblick: In allen bisher durchgeführten Akzeptanzstudien gaben Männer mehrheitlich an, sich vorstellen zu können, neue Verhütungsmittel zu benutzen. Und: Die Mehrheit der Frauen bestätigte, Männern bei der Verhütung auch zu vertrauen.

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