Pionierstudie: Kommt bald das Verhütungsgel für den Mann?

Symbolbild
Britische Studienteilnehmer werden zusammen mit ihren Partnerinnen ein Jahr lang mit einem Hormongel verhüten.

Verhütung ist nach wie vor oft Frauensache. Um mehr Gleichberechtigung auf dem Gebiet der Empfängnisverhütung möglich zu machen, startet die University of Edinburgh eine klinische Pionierstudie zu Verhütungsgel. Derzeit werden Paare für die Erhebung gesucht, die den Weg für eine neue Generation der Verhütungsmittel ebnen soll.

Hormongel hemmt Spermien

Nach Abschluss der Rekrutierungsphase sollen in Summe 80 in einer Partnerschaft lebende Männer in den Städten Manchester und Edinburgh täglich ein Hormongel anwenden. Die im Gel namens NES/T enthaltenen Progestine, auch Progestagene und Progestogene genannt, sollen natürliches Testosteron blockieren, sodass die Produktion von Spermien nach einiger Zeit automatisch eingestellt wird. Um den Hormonhaushalt nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen, enthält das Gel einen geringen Anteil an Testosteron. So soll verhindert werden, dass sich die Verhütungsmethode negativ auf die Libido des Mannes auswirkt.

Die Paare werden für den gesamten Untersuchungszeitraum von einem Jahr ausschließlich mittels Gel verhüten. So sollen die Wirksamkeit des Präparats erforscht und potenzielle Nebenwirkungen abgeklärt werden.

Wirksamer als Kondome?

Richard Anderson, Studienleiter und Professor für klinische Reproduktionswissenschaften an der University of Edinburgh, geht bereits jetzt davon aus, dass die Methode wirksamer als die Anwendung von Kondomen ist. "Wir wollen das Gel auf das Niveau der Pille bekommen, die eine sehr kleine Fehlerquote hat", erklärt Anderson im Interview mit dem Guardian.

Bei korrekter Anwendung erreichen Kondome einen Pearl-Index von etwa zwei. Der Pearl-Index (PI) gibt an, bei wie vielen von 100 Frauen unter Benutzung einer einzigen Verhütungsmethode innerhalb eines Jahres eine Schwangerschaft festgestellt wurde. Der PI von Kondomen bedeutet also, dass im Durchschnitt zwei von 100 Frauen, die ausschließlich mit Kondom verhüten, innerhalb eines Jahres schwanger werden. Zum Vergleich: Der Pearl Index der Antibabypille liegt zwischen 0,1 und 0,9.

Gel, Schale, Pumpe

Die männlichen Probanden erhalten das Gel in einem Schälchen, das mit einer Pumpe zur Verabreichung einer bestimmten Dosis ausgestattet ist. Das Gel wird täglich auf die Schultern und Oberarme gerieben. Zudem sollen die Männer einmal pro Monat untersucht werden, um ihre Spermienzahl zu überwachen.

Sobald die Spermienzahl eines Teilnehmers gegen Null gefallen ist – dies könnte einige Monate dauern – verwendet er zusammen mit seiner Partnerin das Gel als einziges Verhütungsmittel.

Bedarf an neuen Methoden

Nach Ansicht der Wissenschafter besteht ein erheblicher Bedarf an neuen Formen der Empfängnisverhütung. Immer mehr Frauen würden etwa die Einnahme der Pille ablehnen. "Ich denke nicht, dass das Gel die von Frauen angewandten Methoden ersetzen wird, aber es besteht sicherlich eine Nachfrage nach einer Alternative", schildert Anderson.

Zuvor hatte Anderson zusammen mit seinem Team auch eine Studie zur Verhütungsspritze geleitet. Diese beruht auf einem ähnlichen hormonellen Ansatz und erwies sich als nahezu so wirksam wie die Pille. Die Studie wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aber aufgrund der auftretenden Nebenwirkungen vorzeitig abgebrochen. Anderson gibt jedoch zu bedenken, dass jede hormonelle Empfängnisverhütungsmethode Nebenwirkungen habe: "Das ist die reale Welt der Empfängnisverhütung."

Sollte die neue Studie erfolgreich verlaufen, könnte das Gel nach Ansicht der Forscher in naher Zukunft zu einem kommerziellen Produkt weiterentwickelt werden.

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