8 Uhr Schule? Warum das zu früh ist und wie es besser geht

Forscher und Forscherinnen aus China, Kanada, Großbritannien, den Niederlanden, Irland, den USA und Japan untersuchten Langeweile bei Lehrern und Schülern.
In Österreich geht der Unterricht um 8 Uhr los. Kinder und Jugendliche leiden darunter, warnen Experten. Manche Schulen wagen einen Vorstoß und beginnen später

6.45 Uhr. Der Wecker läutet und alle fünf Familienmitglieder zwischen 8 und 46 Jahren finden das fürchterlich. Dabei ist diese Uhrzeit vergleichsweise gemütlich: In ländlichen Gegenden beginnen Schulen bereits um 7.15 oder 7.45 Uhr. Mit dieser Woche startet auch für Kinder der dritten Semesterferienetappe wieder die Schule.

Ein Studie der deutschen Krankenkassen hat gezeigt: Jedes dritte Kind ist übermüdet, bei den größeren sogar noch mehr. Ein Problem, für das es hierzulande ein zunehmendes Bewusstsein gibt. Immer mehr heimische Schulen wagen den Vorstoß und beginnen später mit dem Unterricht. Wie zum Beispiel die Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik (BAfEP) in Wien-Strebersdorf, wo die erste Stunde um neun Uhr anfängt.

Eigene Zeitzone

„Wir wollten auf den Biorhythmus der Jugendlichen Rücksicht nehmen“, sagt Direktorin Brigitte Cizek, von der die Schule vor vier Jahren am Campus De La Salle eröffnet wurde. Damit folgt sie den Empfehlungen der Wissenschaft. Wie die US-Universität Stanford in einer Studie festgestellte, leben Teenager in einer anderen Zeitzone als ihre Umwelt. Würde man sie in ihrem natürlichen Rhythmus leben lassen, wäre ihr Tagesablauf um eine Stunde nach hinten verschoben.

Das gilt jedoch nicht für alle Jugendlichen, wie Cizek klarstellt: „Einfach nur später anzufangen, ist nicht die Lösung, manche sind früher fit und wollen nicht am Abend endlos über ihren Hausübungen sitzen.“ Daher gibt es für die Schüler an ihrer Schule die Möglichkeit, sich beim S.E.L.F.I.E.-Arbeiten ab acht Uhr selbst mit Lerninhalten zu beschäftigen. Coaching- und Schülersprechstunden werden ebenfalls morgens angeboten. Etwa die Hälfte der Schüler sind laut Cizek vor der ersten Stunde da, „manche sogar ab 7.30 Uhr, wenn wir öffnen“.

Selbstbestimmtes Lernen

Positive Erfahrungen mit diesem Konzept gibt es auch im Ausland. Der Chronobiologe Till Roenneberg führte an einem Münchner Gymnasium eine Gleitzeit ein – die Oberstufenschüler konnten pünktlich zur ersten Stunde kommen oder erst zur zweiten und den Stoff selbst erarbeiten. Die Schlaftagebücher zeigten: Die Schüler kamen im Durchschnitt zwei Mal pro Woche später und meldeten, dass sie auch sonst besser schliefen und sich im Unterricht besser konzentrieren konnten.

In der „Lernwerkstatt Brigittenau“ im zwanzigsten Wiener Gemeindebezirk hat man sich ebenfalls dazu entschieden, später mit dem Unterricht anzufangen – auch für die Kleinen startet dieser erst um 8.30 Uhr. Ab 7.30 Uhr können die Kinder aber betreut werden und noch vor der ersten Stunde spielen und basteln. Die meisten kommen um 8.15 Uhr, wie Direktorin Karin Fellner erzählt. „Wir merken eindeutig, dass die Aufmerksamkeit im Lernzeitblock von 8.30 bis 10.10 Uhr am besten ist.“ Für viele Eltern sei die späte Beginnzeit ein Grund, ihre Kinder in der Schule anzumelden.

Empfehlunge der Amerikanischen Akademie für Schlafmedizin:

Im Alter von 4 bis 12 Monaten
Regelmäßig, innerhalb von 24 Stunden  12 bis 16 Stunden schlafen

Von 1 bis 2 Jahren
11 bis 14 Stunden

Von 3 bis 5 Jahren  
10 bis 13 Stunden

Von 6 bis  12 Jahren
 9 bis 12 Stunden

Von 13 bis 18 Jahren
8 bis 10 Stunden

 

Kein Austricksen

Den eigenen Biorhythmus zu überlisten, indem man sich früher hinlegt, hilft übrigens nicht, wie der Schlafforscher Achim Kramer von der Berliner Charité dem Magazin Focus erklärte: „Für 80 bis 90 Prozent der Schüler ist acht Uhr zu früh“, kritisierte er. In der Volksschule sei es für viele Kinder noch möglich, in der siebten bis neunten Schulstufe sollte der Unterricht um 9 Uhr beginnen und für die Oberstufe wäre sogar 10 Uhr ideal.

Zu ähnlichen Ergebnissen kam man auch in Seattle, als der Start der High-School um eine Stunde nach hinten verschoben wurde. Studienleiter Horacio de la Iglesia brachte das Dilemma auf den Punkt: „Von Jugendlichen zu erwarten, dass sie um 7.30 Uhr wach und aufmerksam sind, ist so, wie das von Erwachsenen um 5.30 Uhr zu verlangen.“ Die Gesellschaft würde auch finanziell von der Umstellung auf einen Schulbeginn um 8.30 Uhr profitieren, wie Forscher in den USA errechneten.

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