Plan K: Die Schul-Evolution

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Der KURIER hat sich angesehen, was die Schul-Autonomie ab sofort im Alltag bringt.

Schon sehr lange sind weder der Nürnberger Trichter noch Torbergs "Gott Kupfer" in Österreichs Schulklassen zu finden. Und doch mussten die Pädagogen mit einem engen Korsett unterrichten, das ihnen die Schulbehörden verordnet hatte.

Jetzt sollte – langsam – alles anders werden. Die Schulreform wurde im Juni beschlossen, die Schulen wurden in die "Selbstständigkeit" entlassen. Das werden einige besser meistern als andere. Der KURIER hat zum Auftrakt der PlanK-Bildungsserie drei Schulen besucht, wo Lehrkräfte und Schulleiter die nun beschlossene Schulautonomie bereits umgesetzt haben.

In der Praxis sind Probleme mit der Reform nicht ausgeschlossen – denn Autonomie lässt sich nicht "verordnen", sondern fordert von Leitern und Lehrern ein bisschen Mut, eine klare Zielvorstellung und viel Kreativität. Wie vielfältig die Ideen sind, zeigen diese Beispiele, die nur einen kleinen Ausschnitt aus der pädagogischen Vielfalt in Österreichs Schulen darstellt.

WIKU Graz: CSI-Kurs statt Chemie pauken

Noch bevor das Schuljahr beginnt, herrscht bei den Schülern des WIKU BRG Graz schon fröhliche Aufregung über das neue Kursbuch für die Oberstufe.
Natürlich wird auch an dieser Schule gemäß den Lehrplan-Vorgaben zusätzlich zu den Pflichtgegenständen Geschichte, Biologie, Geografie und Chemie gelehrt. Doch immer mit einem frischen Fokus: Statt trockener Geschichtsstunden besuchen die Schüler den Kurs „Aktuelle Krisenherde im Nahen Osten“ oder „Brennpunkte der Kirchengeschichte“; statt Geografiestunden lernen sie über „Klimawandel – oder wird die Sahara wieder grün?“; statt Chemie-Pauken sitzen sie wissbegierig in Kursen wie „CSI – Forensische Kriminaltechnik“ oder „Toxikologie und Drogen“.
„Wir haben auch einen Kurs, wo die Schüler nachweisen, ob James Bonds Künste im Einklang mit den Naturgesetzen sind – also theoretisch möglich sind“, berichtet Eva Ponsold, Direktorin des BRG Graz, merklich stolz über das Kurs-Angebot ihrer Lehrer für die Schüler.
850 Schülerinnen und Schüler werden an Ponsolds Schule in 33 Klassen von 80 Pädagoginnen und Pädagogen unterricht. Die Kurse überlegen sich die Lehrer selbst, sprechen sich dabei mit Fachkollegen ab. Rund 120 werden jährlich angeboten, die Schüler wählen aus, rund 80 Kurse kommen jedes Jahr zustande, sofern sich zumindest zwölf Schüler für einen Kurs entscheiden.
Ponsold nimmt in ihrem Schul-Management schon viel von dem vorweg, was die Bundesregierung Ende Juni nach jahrelangen Verhandlungen doch noch beschlossen hat: die autonome Schule. „Die neuen Gesetze lassen sehr viel zu“, sagt die Direktorin, „es wird auch nicht alles, was möglich gemacht wurde, von heute auf morgen umsetzbar sein. Aber all die neuen Möglichkeiten, das sehe ich sehr positiv.“
An ihrer Schule besteht bereits eine Kooperation mit einer Musikschule, Instrumente können also am Schulstandort erlernt werden. Mit Sportvereinen, die Kurse in den Turnsälen anbieten könnten, sei sie noch in Verhandlung. Einen „echten Traum“ findet Ponsold die Möglichkeit, gezielt nach neuen Lehrern suchen zu dürfen, die gut ins Team passen. „Und das Beste daran: Ich merke, dass die Kinder richtig begeistert sind.“

BAfEP De LaSalle: Jeder hat seinen Stundenplan

Brigitte Cizek wollte keine Kompromisse eingehen. Ihr Ziel: Eine Schule gründen, in der ausschließlich nach Erkenntnissen der Bildungs- und Neurowissenschaft unterrichtet wird. Gute zwei Jahre hat sie gemeinsam mit einem Team engagierter Lehrer das sogenannte S.E.L.F.I.E -Modell entwickelt.
Umgesetzt wird dieser innovative Zugang seit einem Jahr in der BAfEP De La Salle in Strebersdorf (Bildungsanstalt für Elementarpädagogik, die Kindergartenpädagogen ausbildet): Schülern wird es hier ermöglicht, selbstständig und eigenverantwortlich zu lernen. Dass es sich dabei nicht nur um Schlagworte handelt, merkt jeder, der die Schule betritt: Viele Jugendliche sind bereits eine Stunde vor Unterrichtsbeginn vor Ort: Manche lernen mit Kollegen, chillen oder genießen ein Buch. „Die Schüler entscheiden selbst, ob sie Aufgaben zu Hause oder am Standort erledigen, wo sie von einer vielfältigen Lernumgebung profitieren können“, sagt Cizek. Dazu zählt ein Buddysystem, das jenen Schülern mit einer Stärke in einem Fach ermöglicht, Mitschüler mit ihrem Wissen zu unterstützen. Neben „Study-Buddies“ stehen „Soul-Buddies“ zur Verfügung, wenn jemand ein Problem besprechen will, das nichts mit dem Lernen zu tun hat.
Um 9 Uhr wird der Unterricht „eingeläutet“ durch den Hit der Woche: Wer sich in der Vorwoche ein besonderes Lob verdient hat, darf diese Musik auswählen. Dabei lernen die Schüler nebenbei, was sie später als Pädagogen brauchen: Wertschätzung anzunehmen und zu vermitteln. In „gecoachten Units“ setzen Schüler einen wöchentlichen Fokus und entscheiden selbst , mit welchem Fach sie sich intensiver beschäftigen wollen. Schüler dokumentieren und bewerten Lernfortschritte in einer Mappe. Nicht jeder ist damit glücklich, wie einige im S.E.L.F.I.E.-Meeting berichten, das montags unter der Leitung der Schulsprecherin stattfindet. Gemeinsam überlegen Schüler und Lehrer, wie das Prozedere verbessert werden kann. Dass sie den Unterricht gemeinsam weiterentwickeln, ist ein Schulprinzip.
Die Schüler fühlen sich mit dem Konzept wohl: „Früher war Schule einfach nur Schule, heute ist es viel mehr, ein unbeschreibliches Feeling, das man nur hier erleben kann“, sind sich Peter und Sophia einig.

HTL/HAK Ybbs: Sechs Stunden pro Woche sind zur freien Wahl

Der Titel klingt erst einmal kompliziert: Die HTL / HAK Ybbs (NÖ) ist seit zwei Jahren Modellschule für Individualisierung und Potenzialentfaltung. Klingt schön, doch in Ybbs sind das mehr als nur nette Worte. Ein Großteil des Unterrichts läuft so ab, wie in vielen anderen Schulen auch. Die Schüler gehen in die Klassen nach Stundenplan und lernen hier den Basisstoff in Englisch, Mathe oder Buchführung. Statt der üblichen 50-Minuten-Stunden dauert die Einheit nur 40 Minuten. Die so gewonnene Zeit, wird genutzt, um eine Art Modul-System zu ermöglichen: Montags, dienstags und mittwochs gehen die Schüler in der dritten und vierten Stunde nicht in „ihre“ Klasse, sondern zu dem Lehrer bzw. der Lehrerin, die ein interessantes Angebot hat.
Wie das funktioniert, erklärt Direktor Rainer Graf so: „Ein Schüler nutzt die sechs Stunden, um sich in Mathe fit für die nächste Schularbeit machen zu lassen. Eine andere Schülerin interessiert sich für das US-Wahlsystem und geht deshalb zu der Pädagogin, die dieses Thema anbietet. Die Jugendlichen gehen also nicht in ,ihre’ Klasse, sondern zu ihren Lehrern.“
Wie viele neue Lernformen, braucht dies natürlich Planung, weshalb in Ybbs ein eigenes Buchungssystem errichtet wurde. Mindestest 18 Schüler müssen sich anmelden, damit ein Thema tatsächlich angeboten wird. „Unterricht wird hier zu Holschuld“, sagt Direktor Graf. Das kommt bei Schülern an: „Wer in unsere Schule kommt, merkt, dass hier ruhig gearbeitet wird. Es ist ein gutes Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern. Die Schüler lernen so Eigenverantwortung.“ Und das mit Erfolg, wie zentrale Tests zeigen. Auch Cluster gibt es in Ybbs schon lange, da HTL und HAK unter einem Dach sind. Die Schule nutzt die Synergieeffekte: „Es kommt zum Transfer von Lehrkräften, und wir nutzen den Wissensmix, um Administration und Technik schulübergreifend zu unterrichten“, so Graf.

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