„Der gnädige Herr ist selbst schuld“
Reiseschreibtische haben viele Geschichten zu erzählen. Von der Südsee beispielsweise und der Côte d’Azur, von London, Paris und Rom. Und manchmal auch von Stadlau.
Nicht, dass es der Sekretär, mit dem diese Geschichte beginnt, nicht auch darüber hinaus geschafft hätte. Adolf Loos’ Schreibmöbel war auf den meisten Reisen seines rastlosen Besitzers dabei. Zur Ruhe kam das aus Mahagoniholz und Messing gefertigte Tischchen erst nach dessen Tod. Und zwar in einem Haus, das Loos für seine Haushälterin Mitzi Schnabl in Stadlau geplant hatte. Bei einer Ausstellung im Museum für angewandte Kunst war das Tischchen nun zu sehen und mit ihm kam die Erinnerung an Mitzi Schnabl zurück.
Mitzi wer? Mitzi Schnabl kennt heute kein Mensch mehr. Was schade ist, denn ohne sie wäre die Wiener Architekturforschung um vieles ärmer. Immerhin hütete sie mehr als zwanzig Jahre lang die Loos-Wohnung, die 1955 dem Wien Museum übergeben wurde. Und zwar exakt so, wie er sie verlassen hatte. Auf Mitzi Schnabl war eben Verlass.
Wärmeflasche und Pyjama
Nicht einmal 200 Einwohner hat der Ort Gottestal im südlichen Kärnten. Dort wurde 1885 die erste Tochter des Maurers Anton Anderwald und seiner Frau Maria geboren. Vier Geschwister hatte sie, als erste Tochter erhielt sie den Namen der Mutter. Maria, genannt Mitzi, erlernte den Beruf Köchin und ging nach Wien, wo sie 1919 bei dem Architekten Adolf Loos in den Dienst trat.
Eine treue Seele soll sie gewesen sein, schreibt Loos’ zweite Frau Elsie Altmann-Loos, die „Gläubiger verjagte und Freunde betreute“. Die der Herrschaft auf Reisen bei Bedarf Wärmeflasche und Pyjama nachschickte, Haushund Wipsy umsorgte und auch in finanziellen Nöten aushalf. Laut ihrer in der Wien-Bibliothek aufbewahrten Korrespondenz mit Adolf Loos soll sie dem notorischen Pleitier einmal eine größere Summe Geld geborgt haben.
Und natürlich kochte sie, was er sich wünschte, insbesondere französisch, sprach die Namen der Speisen aber grundsätzlich falsch aus. Wider besseres Wissen weigerte sich Schnabl, Fremdwörter korrekt auszusprechen, weil dies „sich nicht für Dienstboten schickt“. Legendär sollen ihre Indianerkrapfen gewesen sein, ebenso wie ihr Kaffee. Altmann-Loos schreibt, dass sie nach der Trennung von Loos noch oft zur Jause bei Mitzi Schnabl war. „Niemals und nirgendwo habe ich solchen Kaffee getrunken wie den, den Mitzi für mich gemacht hat.“
Schnabl, die ihre Herkunft gerne betonte und in dieser Eigenschaft auch im Ausschuss des „Kärntnerballs“ war, muss eine resolute Person gewesen sein, die ihrer Meinung Ausdruck verlieh. Dass sich ihre „Hochgeschätzte Herrschaft“, also Loos und Elsie Altmann, trennten, passte ihr gar nicht. Es mache sie „sehr traurig, dass eine so glückliche Ehe zerstört werden muss“, schrieb sie an Loos, und setzte selbstbewusst hinzu: „Der gnädige Herr ist selbst schuld. Der gnädige Herr hätte nicht sollen nach Paris fahren. Meine liebe gute Gnädige war sehr unglücklich darüber, dass der gnädige Herr nicht da war ein volles Jahr“. Ihr sehnlichster Wunsch sei es, „meine lieben guten Herrschaften noch recht viele Jahre glücklich zu sehen“.
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