Zuletzt machte die Unterwäschefirma Palmers als Teileigentümer der Hygiene Austria mit FFP2-Masken aus China Negativschlagzeilen. Einst beherrschte sie das Stadtbild mit spektakulären Plakaten und Fassaden in einer einzigartigen Farbe.
Eine Farbe sollte es sein, die nirgendwo im Stadtbild vertreten war. Eine Signalfarbe, die einem sofort ins Auge stechen und mit der man die Marke fortan verbinden würde. Mit diesem Rat in der Tasche ging Walter Palmers Anfang der 1930er-Jahre zum Schilder- und Buchstabenunternehmen Körner & Kloss, um dem von seinem Vater Ludwig gegründeten Unternehmen buchstäblich einen neuen Anstrich zu verleihen.
Man riet ihm zu Grün. Giftgrün. Und der Mann, der Walter Palmers den Rat gegeben hatte, der Architekt Adolf Loos, sollte recht behalten.
Noch Jahrzehnte später verbindet man das leuchtende Smaragdgrün mit dem Wäscheunternehmen Palmers. Dabei war der ursprüngliche Palmers-Schriftzug in Blauviolett gehalten, und der Schreibschrift des Firmengründers Ludwig Palmers nachempfunden.
Sohn Walter, der ab den Dreißigern die Umgestaltung der Filialen übernahm, war ein großer Bewunderer des Architekten Adolf Loos, er besaß einige von Loos entworfene Möbel und soll einen regelrechten Kult darum betrieben haben: Die Möbel bestaunt und von Tischlern nachgebaut, benutzt hat er sie jedoch nie.
Kennengelernt hatte Walter Palmers den Architekten über seinen Nachbarn Albert Matzner, der in der Wiener Innenstadt, unter anderem auf der Rotenturmstraße, zwei Modegeschäfte betrieb, deren Portale von Loos gestaltet wurden. Gewiss hätte auch Palmers seine Filialen von Loos planen lassen, wäre der Architekt nicht 1933 gestorben. Als die erste Filiale mit giftgrüner Fassade in Graz eröffnet wurde, war nicht nur die Farbe neu, sondern auch der Schriftzug: Statt Schreibschrift wählte man Blockbuchstaben, die sogenannte Kabelschrift, in der Bauhauszeit um 1927 von dem Designer Rudolf Koch entwickelt und heute noch ein oft verwendeter Klassiker.
Noch mehr Giftgrün
Nach dem Zweiten Weltkrieg breiteten sich die giftgrünen Fassaden weiter in Österreich aus. Das Architekturbüro Theiss & Jaksch, das in Wien unter anderem das berühmte Hochhaus in der Herrengasse baute, war für den Wiederaufbau der Filialen verantwortlich – viele Geschäfte waren zerbombt worden. Das Grün wurde noch dominanter. Denn, um die Wertigkeit und Eleganz der feinen Waren zu unterstreichen, gestaltete man die Auslagen selbst verhältnismäßig klein und die grüne Fassade rundherum wirkte noch präsenter.
Toxische Modefarbe
Aber was war das eigentlich für eine Farbe? Eine ziemlich giftige. So giftig, dass man eine Berechtigung brauchte, um sie verwenden zu dürfen.
Anfang des 19. Jahrhunderts entdeckte der Österreicher Ignaz Edler von Mitis ein gelbgrünes Pigment, das nach ihm Mitisgrün benannt wurde. Um 1808 begann die Schweinfurter Farbenfirma Sattler mit der industriellen Produktion des lichtbeständigen Arsenpigmentes. Der Fabrikationsort verlieh der leuchtenden Farbe den uncharmanten Namen Schweinfurter Grün. Trotzdem wurde der auch Pariser Grün, Wiener Grün, oder Papageiengrün genannte Farbton zur regelrechten Modefarbe. Man bemalte Wände, bedruckte Tapeten, färbte Stoffe damit.
Außerdem war Schweinfurter Grün eine beliebte Künstlerfarbe, Paul Gauguin und Vincent van Gogh malten oft damit (unter anderem Van Goghs „Selbstbildnis – Paul Gauguin gewidmet“). Dass die Farbe in Innenräumen extrem giftig war, fand man schon Mitte des 18. Jahrhunderts heraus. Insbesondere die Tapeten sollen wenig gesundheitsfördernd gewesen sein. Und so verdächtigte man das Schweinfurter Grün auch lange Zeit, am Tod von Napoleon Bonapartes schuld gewesen zu sein – seine Tapeten auf Sankt Helena waren Grün. Heute weiß man: Er starb an Magenkrebs.
Bei Palmers blieb das (in dieser Verwendung übrigens unbedenkliche) Schweinfurter Grün jahrzehntelang sakrosankt. Nie wäre jemand auf die Idee genommen, es infrage zu stellen, nicht die kleinste Abweichung erlaubte Firmenchef Walter Palmers. In seinem Büro hing ein Muster von dem Grünton. Sämtliche Drucksorten wurden darauf abgestimmt.
Die Farbe breitete sich durch Österreichs Innenstädte aus und prägte die Marke ebenso wie die auffälligen Werbekampagnen, für die man Künstlerinnen und Künstler wie Elfi Semotan und Herb Ritts engagierte.
Palmers war Stadtgespräch. Nach einem farblichen Intermezzo in Oliv in den 2000 Jahren besann sich die Firma farblich auf Tradition und ließ beim Opernball 2017 ihre Kutsche aus den 30er-Jahren auffahren – in Schweinfurter Grün.
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