Der Strand, an dem Mitzi Müllers Herz brach

Der Strand, an dem Mitzi Müllers Herz brach
Am Sandstrand von Juan-les-Pins feierten Hollywood und die Pariser Bohème. Und eine Wiener Tänzerin verlor ihr Herz.

Sie hieß Mitzi Müller, nannte sich May Reeves und verbrachte einen Sommer am Strand mit Charlie Chaplin. Es war Ende März 1932, Chaplin war in das Riviera-Resort des amerikanischen Hotelmagnaten Frank Gould gereist, wo Schaulustige Eintritt bezahlten, um dem Star durch eine Glasfront beim Essen zuschauen zu dürfen. Ob Mitzi Müller unter ihnen war, darf bezweifelt werden, sie hatte kaum das Geld dazu. Die österreichische Tänzerin war eben erst angekommen, als sie die Aufmerksamkeit des Hollywoodstars erregte. Er wollte wissen, ob sie Tango tanzte. Sie sagte „Tango ist mein Beruf“ und es war um Chaplin geschehen. Allerdings nicht nachhaltig. Als Charlies Schiff ablegte, lächelte Mitzi tapfer und imitierte seinen Tramp-Gang.

Am Strand des Hôtel Provençal, das über dem Pinienwald von Juan-les-Pins liegt, vergnügten sich neben Chaplin Pablo Picasso, F. Scott Fitzgerald, Ernest Hemingway und Dorothy Parker; hier badeten Marlene Dietrich, Erich Maria Remarque und selbst Bert Brecht. Doch nicht nur die Liebe ist vergänglich, auch die Pracht. Seit 44 Jahren ist das ehemalige Luxushotel eine verlassene Ruine. Zur Eröffnung 1927 galt es als aufregendste Herberge der Côte d’Azur.

Der Strand, an dem Mitzi Müllers Herz brach

Juan-les-Pins wurde in den 1920er Jahren zur ausschweifendsten Partymeile der französischen Riviera. Die auffällige Villa El Djézair, 1921 im neomaurischen Stil von dem Architekten Ernest Truch gebaut, liegt am Übergang von Golfe-Juan und dem Stadtgebiet von Antibes-Juan-les-Pins

Die französische Riviera wurde im 19. Jhdt. von reichen Engländern und Amerikanern als Erholungsgebiet entdeckt. Juan-les-Pins, ein Seebad am Golfe Juan, erschien erst um 1865 auf der Landkarte. Claude Monet malte vom damals am menschenleeren Strand den Blick in Richtung Antibes. Mit der Errichtung einer direkten Straße nach Antibes kamen Investoren. Und mit ihnen Adelige, Begüterte, Intellektuelle und Kriminelle. Die Landschaftsmaler wurden weniger, die Sonnenhungrigen mehr. Man tauschte gesittete Kurbäder der Normandie gegen Körperkult am Sandstrand von Juan-les-Pins. Zu den ersten Entdeckern gehörte US-Entertainer Cole Porter, er war gewissermaßen die Vorhut des später berühmten Jazz-Festivals, wo Miles Davis und Ray Charles gastierten. Im Gefolge von Picasso und Porter kam die Pariser und US-amerikanische Bohème. Als der unvorstellbar reiche Amerikaner Frank Jay Gould, dessen Vater ein Vermögen mit Eisenbahnen gemacht hatte, hier ein Hotel errichtete, folgte tout Hollywood und der Aufstieg Juan-les-Pins zu einem einzigartigen Ort ausschweifenden Vergnügens.

Von Goulds einst legendärem Hotel ist wenig übrig. Investoren träumten vergebens davon, dass Brad Pitt und Angelina Jolie hier Luxus-Penthäuser erwerben würden und der Bürgermeister will aus dem Partyort ein Ökoparadies machen. Die Sandstrände sind immer noch traumhaft. 

Die Erfindung des Wasserski
Hier hat man – angeblich – die Wasserski erfunden. Möglicherweise ist das aber nur eine der vielen Legenden, die sich um Juan-les-Pins ranken. Berühmt geworden wegen seiner Sandstrände, versammelte der Ort ab den 1920er-Jahren die französische Bohème und später ganz Hollywood. Letzter Zeuge vom einstigen Glanz des berühmten Hôtel Provençal ist nur das Gästebuch.  

Fast ein Wirtschaftskrimi
Lutz Hachmeister hat sich in seinen bisherigen  Publikationen viel mit Politik und Wirtschaftskriminalität beschäftigt. Das merkt man seinem exzellent recherchierten Riviera-Buch an: „Hôtel Provençal – eine Geschichte der Côte d’Azur“, Bertelsmann, 240 Seiten, 22,70 Euro 
 

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