Wiener Heumarkt: Entscheidung über Alternativ-Plan fällt 2021
Eigentlich hätte 2020 das Jahr der Entscheidung für das umstrittene Heumarkt-Projekt werden sollen. Oder genauer gesagt: für die abgespeckte Version, die ohne den 66 Meter hohen Wohn- und Hotelturm auskommt. Daraus wurde aber nichts – vor allem wegen Corona. Nun soll es 2021 soweit sein.
Zur Erinnerung: Das Alternativ-Projekt wurde vor fast genau einem Jahr präsentiert. Investor Michael Tojner gab der Stadt damals bis zum heurigen Herbst Zeit, der UNESCO den Plan B schmackhaft zu machen. Andernfalls verfolge man die ursprüngliche Planung weiter.
Geschehen ist jedoch weder das eine noch das andere. Woran das liegt – und wie es nun weitergeht.
Wie sieht die UNESCO das turmlose Projekt?
Die erste Reaktion im Dezember 2019 fiel positiv aus. Allerdings war der Alternativ-Plan damals noch nicht an das Welterbezentrum übermittelt gewesen. Das sei inzwischen geschehen, heißt es auf Anfrage aus dem Büro des städtischen Welterbe-Koordinators Ernst Woller (SPÖ).
2012
Die damalige grüne Planungsstadträtin Maria Vassilakou startet die Neugestaltung des teils heruntergekommenen Heumarkt-Areals, auf dem Hotel Intercontinental, Eislaufverein und Konzerthaus beheimatet sind. Als privater Partner der Stadt wird Wertinvest-Chef Michael Tojner präsentiert.
2013
Der Rahmenplan für die Neugestaltung wird vorgestellt. Er sieht einen 73 Meter hohen Turm für 50 Eigentumswohnungen und 40 Hotelappartements vor. Kurz darauf wird Kritik laut: Namhafte Architekten fürchten um das Stadtbild und fordern einen Stopp der Weiterplanung. Die UNESCO zeigt sich unglücklich.
2014
Der Entwurf des Architekten Isay Weinfeld wird zum Siegerprojekt gekürt. Er hält am 73-Meter-Turm fest.
2016
Die Stadt verordnet eine Nachdenkpause. Die UNESCO verwarnt Österreich dennoch und fordert eine Bauhöhe von 43 Metern. Zu Jahresende präsentieren die Stadt und Tojner überarbeitete Pläne – mit einem 66-Meter-Turm.
2017
Der Gemeinderat widmet das Areal als Hochhaus-Standort. Die UNESCO setzt Wien als gefährdete Weltkulturstätte auf die Rote Liste.
2019
Wieder gibt es eine Nachdenkpause – diesmal von der SPÖ verkündet. Im Dezember wird ein Alternativ-Projekt ohne Turm angekündigt.
2020
Österreich übermittelt der UNESCO Berichte über geplante Maßnahmen zum Erhalt des Welterbestatus und geht darin auf das Alternativ-Projekt ein. Für Sommer ist eine Sitzung des Welterbekomitees angesetzt, bei der über den Verbleib Wiens auf der Roten Liste entschieden werden soll. Sie wird wegen Corona verschoben.
Die UNESCO habe daraufhin eine Studie darüber verlangt, ob Plan B und Welterbe-Status kompatibel seien.
Dem kam die Stadt nach: Sie beauftragte Manfred Wehdorn, Architektur-Professor und Kritiker des ursprünglichen Projekts, mit einer Studie. Laut dieser wäre die Variante ohne Hochhaus Welterbe-verträglich, so Woller.
Diese Einschätzung sei im November an die UNESCO übermittelt worden, deren Beurteilung stehe noch aus. Wann sie vorliegen wird, sei wegen Corona nicht absehbar.
Hatte nicht auch der Bund die Finger im Spiel?
Ja. Und zwar, weil die Republik Österreich Vertragspartner der UNESCO ist – und nicht die Stadt Wien. Anfang des Jahres hat der Bund zwei Berichte an das Welterbezentrum geschickt. Ihr Gegenstand: das geplante Vorgehen Österreichs zum Erhalt des Welterbes – inklusive Alternativ-Projekt.
Diese Berichte sind sehr wichtig: Die Republik muss sie jährlich abliefern, sie werden anschließend evaluiert. Auf dieser Basis entscheidet das Welterbekomitee bei seinen Sitzungen, ob Wien auf der Roten Liste bleibt.
Die für Sommer 2020 geplante Tagung fiel aber wegen Corona aus. Diese Bewährungsprobe für das turmlose Projekt steht daher im Juni oder Juli 2021 an: Auf diesen Zeitraum wurde die Sitzung verschoben.
Wie sieht das Alternativ-Projekt denn genau aus?
Anstelle des 66-Meter-Turms plus eines Hotel- und Kongressgebäudes wird nur der Hotel- und Kongresskomplex gebaut. Er ersetzt das (mit technischen Aufbauten) 48 Meter hohe Hotel Intercontinental. Das neue Gebäude wird aber wohl höher: Die Rede ist von bis zu 55 Metern, eine fixe Angabe ist der Stadt (wohl wegen der UNESCO) nicht zu entlocken.
Aussagen zu konkreten Höhen könne man erst treffen, wenn eine erste Einschätzung der Welterbehüter zum Plan B vorliege, heißt es aus dem Büro von Woller.
Hat Tojner seine Gnadenfrist verlängert?
Dazu geben weder die Stadt noch Tojner Auskunft. Fest steht aber: Er kann derzeit nicht einfach beginnen, das ursprüngliche Projekt zu bauen. Zwar hat Tojner bereits 2018 eine Baubewilligung beantragt, das Verfahren ruht derzeit aber wegen laufender Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Dabei geht es um die Frage, ob vor dem Bau von Turm und Kongresskomplex eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist. Wann das geklärt sein wird, kann man beim Verwaltungsgerichtshof nicht abschätzen.
Was sagt die Opposition zum Stand der Dinge?
Die ÖVP, ihrerseits vehemente Kritikerin des Heumarkt-Projekts, traut der Stille nicht: „Rot-Grün ist beim Heumarkt-Projekt von einer Katastrophe in die nächste geschlittert. Die neue Koalition greift das Thema gar nicht mehr an“, sagt die türkise Planungssprecherin Elisabeth Olischar. „Wir rechnen damit, dass der Verlust des Weltkulturerbes bereits feststeht.“
Die ÖVP verlange daher „Transparenz und umfassende Informationen“ über den Status quo des Projekts.
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