Wiener Grüne wählen Liste: So läuft das komplizierte Experiment ab
Die Wiener Grünen sind nervös. Der Grund: Am Samstag bestimmt die Basis auf der Landesversammlung, wer hinter Spitzenkandidatin Birgit Hebein einen Platz auf der grünen Liste für die Wien-Wahl bekommt. Und somit Chancen hat, im Herbst in den Gemeinderat einzuziehen.
Posten könnten die Grünen dann so viele zu vergeben haben, wie lange nicht mehr: Aktuellen Umfragen zufolge gingen sich 14 Mandate aus – derzeit haben sie zehn. Auch möglich: ein zweiter Stadtrat.
Wozu dann die Aufregung? Erstmals wird eine Liste für eine Wien-Wahl mit dem Single-Transferable-Vote-System ermittelt.
Und das ist komplex: Zur Auswertung der Stimmen mussten die Grünen ein eigenes Computerprogramm entwickeln. Der Kern: Die Wähler stimmen nicht für einen, sondern für mehrere Kandidaten. Hinzu kommt das Reißverschlusssystem, das Frauen bevorzugt.
Der neue Modus soll eine Lagerbildung verhindern und vermeiden, dass Kandidaten auf aussichtslose Plätze verwiesen werden – wie es zuletzt vor der Wien-Wahl 2015 geschah. Allerdings: So ist der Ausgang unberechenbar.
Die Versammlung
Die Landesversammlung ist der Parteitag der Wiener Grünen. Stimmberechtigt sind insgesamt 2.000 Mitglieder und Unterstützer der Partei. Um wählen zu können, müssen sie persönlich ins Austria Center kommen – bis zu 700 Personen werden erwartet.
Die Liste
30 Plätze werden in den Paketen 2-4, 5-14 und 15-30 vergeben.
Die Spitzenkandidatin
Birgit Hebein wurde bereits im November 2018 in einem eigenen Verfahren zur Spitzenkandidatin gekürt.
Bewerben konnten sich die Kandidaten nicht für einen von 30 Listenplätzen, sondern für einen von drei Blöcken. Hart umkämpft ist der 2. Block: 40 der insgesamt 49 Anwärter rittern um neun Plätze.
Darunter: sechs Gemeinderäte, Bezirkspolitiker (etwa die Donaustädterin Heidi Sequenz), die Gewerkschafterin Viktoria Spielmann oder Quereinsteiger wie der Lehrer Felix Stadler.
Wie die Kandidaten werben
Der sicherste Weg für sie, einen Platz – möglichst weit vorne – zu ergattern: Ihr Name muss auf vielen Stimmzetteln an erster Stelle stehen. Was dabei hilft? Prominenz sowie interne Netzwerke. Und Werbung in eigener Sache.
Letztere treibt kreative Blüten: Ein selbstironisches Video von Ex-Landessprecher Georg Prack etwa. Oder eine Fragestunde in einem Lokal, zu der die Autorin und Quereinsteigerin Nunu Kaller lud.
Wer im 2. Abschnitt leer ausgeht, rutscht nach hinten in den 3. Block. Dort finden sich nur wenige Solidaritätskandidaturen. Wie von Marco Schreuder, der so seinen Posten im Bundesrat absichert.
Die Fixstarter
Kein Gedränge gibt es im 1. Block. Für die Ränge 2 bis 4 haben sich nur Klubchef David Ellensohn, Planungssprecher Peter Kraus und die Arbeitsmarktexpertin Judith Pühringer beworben – sie haben also einen fixen Platz.
Das ist das Ergebnis eines Deals, um Quereinsteigerin Pühringer ins Rathaus bringen. Daran ist die Parteispitze , die eine Öffnung versprochen hat, interessiert.
So kam es, dass die Gemeinderätin Jennifer Kickert zugunsten von Pühringer verzichtete und erst im 2. Block kandidiert. Pühringer erhält (dank der Geschlechterregelung) im schlechtesten Fall Platz 3.
Ob das Experiment gelingt, wird sich morgen zeigen. Wenn nicht, könnte das Wahlsystem auch wieder abgeschafft werden. Ausschlaggebend werde wohl sein, ob alle Lager gleichmäßig auf der Liste vertreten sind, heißt es aus grünen Parteikreisen.
Kommentare