Wien wird grüner. Die Hietzinger Altgasse wurde gerade fertiggestellt und versprüht den Charme eines alten Vorstadtgässchen. Bei der Favoritner Quellenstraße entsteht momentan ein "Supergrätzl" aus 14 Häuserblöcken, wo der Durchzugsverkehr fast völlig ausgesperrt wird.
Und diese Liste könnte beinahe endlos fortgesetzt werden. Rund 300 Projekte wurden allein in dieser Legislaturperiode umgesetzt oder auf den Weg gebracht, von der Baumbepflanzung bis zum kompletten Umbau ganzer Straßenzüge. 90 Millionen Euro kamen dafür von der Stadt, weitere 40 vornehmlich aus Bezirksbudgets.
Doch das könnte erst der Anfang sein, in einer VCÖ-Umfrage wurden von den Wienern 2200 Straßenzüge genannt, die verkehrsberuhigt werden könnten. Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) möchte den Verkehr im kompletten Innenbereich des Rings einschränken, in den Bezirks-Parlamenten wurden zuletzt viele Projekte diskutiert, etwa der viel befahrene Schwarzenbergplatz. Auch der Margaretenplatz soll heuer ein neues Gesicht bekommen.
Bei Befragungen von Anrainern zu verkehrsberuhigten Zonen liegt die Zustimmung jedesmal bei 60 bis 90 Prozent. Die Gegner sind stets in der Minderheit, sie machen ihrem Ärger vor allem in den Sozialen Medien Luft, lediglich beim geplanten Umbau der Mühlgasse in Wieden gibt es eine offizielle Petition dagegen.
Am anderen Ende des Bezirks zeigen sich hingegen die Mühen der Ebene. Die Wiedner Hauptstraße wird von einer von der Mehrheit gut angenommen, es gibt Bäume, Radwege in beiden Richtungen und mehr Sicherheit für Fußgänger bei der Straßenquerung. Doch die Idylle endet an der Bezirksgrenze, der Teil der Durchzugsstraße in Margareten bleibt grau. Und in Wieden wird bereits über einen neuerlichen Umbau der Hauptstraße diskutiert, weil offenbar vergessen wurde, auch den Gehsteig klimafit zu gestalten.
Auch wer tiefer gräbt, findet zwar hehre Ziele, aber wenig konkrete Details im Konzept. Im Prinzip macht jeder Bezirk, was er möchte. Zwar gibt es ein 136-seitiges Papier der Stadt, aber darin findet sich kein Wort, wie man die Autos künftig durch Wien leiten möchte oder wo diese parken sollen. Lediglich dass die Zahl der Stellplätze ganz allgemein reduziert werden soll, ist zu lesen. Nur bei der Zahl der Autos wird eine konkrete Zahl genannt - in fünf Jahren soll es nur noch einen Pkw pro vier Wiener geben. Das entspricht einem Minus von immerhin mehr als 200.000 Fahrzeugen.
Dafür möchte Sima Wien in eine sogenannte 15-Minuten-Stadt verwandeln. Das bedeutet, dass jeder Bewohner innerhalb von einer Viertel Stunde seinen Arbeitsplatz, Einkaufsmöglichkeiten, seine Schule, Sportmöglichkeiten und einen Arzt erreichen kann - zu Fuß, mit dem Fahrrad oder den Öffis. Helfen soll dabei etwa die neue U5, auch wurden in der aktuellen Legislaturperiode knapp 100 Millionen Euro in neue Radwege investiert. Darunter fallen Großprojekte wie die Donaustädter Wagramerstraße oder die Argentinierstraße auf der Wieden.
Kritik kommt vom Wiener ÖVP-Chef Karl Mahrer: "Wiens Budget läuft völlig aus dem Ruder. 2025 drohen statt geplanter 2,2 Milliarden sogar 3,8 Milliarden Euro Defizit – somit haben es SPÖ und NEOS geschafft, in fünf Jahren Stadtregierung Wiens Schulden um mehr als ein Drittel zu erhöhen. Das ist auch auf fehlende Planungs- und vor allem Durchführungskompetenz der Wiener Stadtregierung in Fragen der Infrastruktur und Verkehrsberuhigung zurückzuführen."
Und Grünen-Sprecherin Katja Svejkovsky meint: "Viele positive Schritte, die die Stadt Wien in Sachen Klimaschutz in den letzten fünf Jahren gesetzt hat, sind auf Grund der Förderungen der Bundesregierung entstanden, wie etwa der Ausbau der Radinfrastruktur in Wien. Durch die neue blau-schwarze Regierung wird es einen Kahlschlag im Klimaschutz geben. Die Wiener Stadtregierung hinkt zudem besonders im Verkehrsbereich ihren eigenen Klima-Zielen hinterher. Große Würfe wie etwa ein klimafreundlicher Umbau der Zweierlinie oder des Gürtels fehlen weiterhin."
Oasen, Boulevards und Supergrätzl - so wird Wien klimafit
Klimaboulevard Thaliastraße, Supergrätzl Favoriten oder Aufenthaltsoase Christian-Broda-Platz - an knackigen Namen fehlt es nicht. "Wien wird wow - raus aus dem Asphalt! ", lautet das Versprechen der Stadt, genauer gesagt von Planungsstadträtin Ulli Sima.
"Verkehrsberuhigung in den Wohnvierteln ist ein zentrales Anliegen der Stadt und wird in Zusammenarbeit mit den Bezirken konsequent betrieben", erklärt ihre Sprecherin. "Im Rahmen unserer Offensive arbeiten wir quer durch alle Bezirke an einer umfassenden klimafitten Transformation des öffentlichen Raums. Damit verbunden ist nicht nur die Entsiegelung, Begrünung und Kühlung, sondern auch die Umsetzung verkehrsberuhigender Maßnahmen, die Förderung des Rad- und Fußverkehrs."
Gestartet wurde bereits vor über vier Jahren mit der Bernardgasse in Neubau, wo eine klimafitte Wohnstraße mit 37 neuen Bäumen geschaffen wurden. Der Langauerplatz (hinter dem Westbahnhof), den Praterstern oder die Reinprechtsdorferstraße (Margareten) werden als weitere Vorzeigeprojekte genannt.
"Auch die Argentinierstraße wurde im letzten Jahr massiv umgestaltet, verkehrsberuhigt und in eine Fahrradstraße nach holländischem Modell umgestaltet", heißt es im Sima-Büro. "Sehr gelungen ist auch die Pfeilgasse, wo wir in drei Etappen umgestaltet haben, zum einen eine attraktive Radverbindung vom Gürtel über die Josefsgasse bis zur 2er Linie geschaffen und in Mitten davon am Liselotte-Model-Platz statt einem Parkplatz eine attraktive Fläche vor der Schule realisiert haben."
In etlichen Fällen seien auch notwendige Infrastrukturvorhaben wie etwa ein Linientausch der Wiener Linien, ein Wasserrohrtausch von Wiener Wasser oder Rohrlegungen der Wiener Netze/Fernwärme unmittelbarer Auslöser für Neugestaltungen, heißt es. Ein Beispiel dafür sei etwa die Wiedener Hauptstraße.
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