Margaretenplatz - künftig mehr Bobo, weniger Prolo?
Eigentlich hätte das Grätzl um den Margaretenplatz das Potenzial zur Kultmeile. Zwei kleine Buchgeschäfte, feine Papierwaren für Hochzeiten und stylische Boutiquen prägen das Bild, während einige Anrainer im Schanigarten des lokalen Eisgeschäfts die Herbstsonne genießen. Dazu ein Schaumstoffhaus wie aus einer anderen Zeit.
Und dann düst ein Radfahrer mit nacktem Oberkörper vorbei, um sich ein Rennen mit dem lauten 13A-Bus zu liefern. Der dörfliche Hauptplatz-Charakter ist dahin.
Das alles zeigt den Zwiespalt des (nicht barrierefreien) Margaretenplatzes: Bobo oder Prolo?
Der Bezirk hat nun einen Ideenwettbewerb gestartet und möchte für den Platz gemeinsam mit den umliegenden Straßenzügen (Pilgramgasse, Margaretenstraße) bis Mitte November nach einem neuen Konzept suchen. Das könnte durchaus schwierig werden, denn der Bereich wurde schon mehrfach umgebaut und keiner der Neugestaltungen überzeugte bisher wirklich. Abwechselnd dominierten Öffis und Autos, Fußgänger blieben eher die Nebensache.
1862 erhielt der Platz vor dem einstigen Margaretner Schloss seinen heutigen Namen. Vor dem Zweiten Weltkrieg verkehrten hier die Straßenbahnlinien 3 und 13, später war ein öffentliches WC die wichtigste Haupt-Attraktion. Um wirklich zu einem Bezirkszentrum zu werden, fehlten stets auch die Behörden - kein Bezirksamt, kein Bezirksgericht und nicht einmal eine Polizeistation. So gab es nie einen Magneten für die Laufkundschaft.
In den Siebzigern und Achtzigern war der Gipfel der Trostlosigkeit erreicht, der Platz wurde komplett dem Straßenverkehr gewidmet. Plötzlich gab es sogar drei Fahrbahnen.
Ein junger Bursch namens Hans, später als Falco weltbekannt, bewarf die lokalen Geschäftsleute gerne mit Steinen, worauf seine Mutter oft Entschuldigungsrunden in der Umgebung drehen musste. Im Margaretenhof lag in den Neunzigern fast zwei Jahre lang unbemerkt eine Leiche, weil die Bewohner und die Exekutive glaubten, der Geruch käme vom China-Restaurant im Erdgeschoss.
Gergely als "Mister Margaretenplatz"
Die Trendwende kam erst durch den Journalisten Stefan Gergely. Als ihm angeboten wurde, die heruntergekommene Cocktailbar an der Ecke zur Schlossgasse zu übernehmen, schlug er zu. Nach vielen Wirrungen besitzt Gergely heute rund ein Viertel der Häuser am Platz und vier Lokale - eine Pizzeria, ein Steak-Restaurant, ein Wirtshaus und ein Studenten-Cafe.
Auch hochrangige Vertreter der Stadtpolitik gehen in den Lokalitäten im Bereich des früheren Schlosses ein und aus. Unter anderem Helmut Zilk und Jörg Haider waren schon zu Gast.
Langsam, aber sicher wächst das Viertel langsam mit der Bobo-Szene vom Naschmarkt zusammen. Über die Kettenbrückengasse wurde eine Brücke geschlagen.
Auf der Margaretenstraße wechselten die Geschäfte früher oft alle paar Monate wegen Erfolglosigkeit, heute werden hier In-Lokale wie das "Propeller" oder der Hofladen "Mein Klang" mitunter sogar regelrecht belagert, weil sie aus allen Nähten platzen. Mit dem Filmcasino mutiert das Grätzel immer mehr zu einem trendigen Hipsterviertel. Die einst dort ansässigen Gastarbeiter sind längst verdrängt.
Buslinie 13A als möglicher Zankapfel
Mit ein paar guten Ideen könnte also viel gutes entstehen. Die aktuelle Mondlandschaft mit zwei gigantischen Bäumen, die den Platz überwuchern, ist kein Herzeigeprojekt. Gleichzeitig sind Margaretenstraße und Pilgramgasse wichtige Verkehrsadern, mit dem 13A führt Wiens meistfrequentierte Buslinie mitten über den Platz. Ein gordischer Knoten, der seit Jahrzehnten nicht gelöst werden kann.
Ob sich eine mögliche Verlegung des 13A (vor allem Richtung Hauptbahnhof) gegen die allmächtigen Wiener Linien ausgeht, bleibt abzuwarten. Diskussionen darüber sind aber vorprogrammiert.
Jedenfalls wird auch die Politik eine Rolle spielen, der Bezirk ist weit links der Mitte. SPÖ, Grüne und die anderen Linksparteien haben hier beinahe eine Zwei-Drittel-Mehrheit, die FPÖ liegt bei unter fünf Prozent. Auch verschiedene Radfahrer-Oranisationen sind im Bezirk stark vertreten. Da die Grünen seit Jahren eine Umgestaltung der Pilgramgasse fordern, wird der neue Margaretenplatz wohl in Richtung Verkehrsberuhigung tendieren, um eine Bezirksmehrheit zu erzielen.
Unterstützt wird dies von Gergely: "Weg mit dem Verkehr! Am besten wäre es, den ganzen Margaretenplatz zur Fußgänger- oder Begegnungszone zu machen", betont der "Mister Margaretenplatz". Er fordert außerdem eine Entsiegelung und den Einsatz von Schotterrasen. "Das wäre das erste entsiegelte Bezirkszentrum in Wien."
Und weiter: "Es wäre mit Abstand die schlechteste Lösung, wenn der Margaretenplatz weiterhin zwei Fahrspuren mit Gegenverkehr hat. Die Margaretenstraße ist von Anfang bis zum Ende eine Einbahnstraße stadtauswärts, und nur im historischen Bezirkszentrum wird in beiden Richtungen gelärmt? Das kann und darf nicht so bleiben!"
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