Das ist Wiens letzte Bombenruine aus dem 2. Weltkrieg
In den Jahren 1944 und 1945 werden 21 Prozent aller Häuser Wiens durch allierte Fliegerbomben beschädigt oder zerstört. 21.316 dieser Gebäude wurden restauriert oder neu aufgebaut. Lediglich eines ist heute noch als vermutlich letzte Bombenruine übrig geblieben.
Rekonstruieren lässt sich, dass am 12. März 1945 eine US-Bombe im Bereich Salzgries und Fischerstiege einschlug. Dabei wurde das fünfstöckige Haus getroffen, das daraufhin teilweise einstürzte. Es war der schlimmste Kriegstag, den die Stadt erlebte.
747 Bomber griffen Wien an und zerstörten Teile des Stephansdoms, der Albertina und der Staatsoper. Lediglich das Hauptziel, die Öl-Raffinerie Floridsdorf, blieb beinahe unbeschadet.
Was sich dort beim Salzgries genau damals befunden hat, ist unklar. Im Internet und in einem TV-Bericht eines Lokalsenders im Jahr 2019 wird behauptet, dass es sich um das Kaufhaus Billerbeck gehandelt haben soll. Als Quelle dafür dient aber ausschließlich ein Besucher, der behauptet, dies vom Hausverwalter gehört zu haben. Lediglich einen noch immer aktiven Hersteller von Bettwaren gibt es mit diesem Namen.
In der Facebook-Gruppe "Historisches Wien" wurde kürzlich die Theorie aufgeworfen, dass auf der Fischerstiege einst ein Kaufhaus Alexander Bellak stand, und es sich um eine Namensverwechslung handeln könnte.
Fest steht nur, dass 1897 hier aus drei Häusern - darunter das ehemalige Gasthaus "Weißes Rössl" - ein Neubau für den Spitzen- und Weißwarenfabrikanten Wilhelm Meinl errichtet worden ist, der eine Niederlassung gründete. Das Gebäude wurde nach seiner Heimatgemeinde Bärringen (tschechisch: Pernink) Bärringer-Hof genannt. Noch heute trägt der nicht zerstörte Komplex diesen Namen, auch das Wappen von Meinls Heimatstadt ziert die äußere Eckfassade.
Der ausgebombte Teil befindet sich jedenfalls im Innenhof, ist einsturzgefährdet und nicht öffentlich zugänglich. Dem Vernehmen nach befindet er sich im Besitz mehrerer Familien, darunter auch Nachfahren Meinls. Hartnäckig hält sich die Mär, dass hier auch ein Teil der Stadtmauer zu sehen ist, das benachbarte Fitnessstudio trägt etwa den Beinamen Town Wall. Manche glauben sogar an ein vermeintliches Fenster in das mittelalterliche Wien.
Fakt ist allerdings: Mit der Stadtmauer hat das hier überhaupt nichts zu tun. Die mittelalterliche Stadtmauer befand sich in Wahrheit rund 50 bis 100 Meter weiter nördlich, sie liegt noch größtenteils vergraben unter den Häusern auf der anderen Straßenseite vom Salzgries.
Warum die Ruine heute noch steht, darum ranken sich vor allem Gerüchte. Manche behaupten, dass die übrig gebliebenen Wände quasi als Stützmauern für die umliegenden Gebäude notwendig sind. Logischer scheint hingegen, dass in den turbulenten Nachkriegsjahren zunächst nur der wenig beschädigte Teil wieder hergerichtet worden ist. Mittlerweile ist die Ruine aber einfach so zugebaut, dass keine Baumaschinen mehr zufahren könnten. Das Areal ist also kaum mehr irgendwie nutzbar.
Somit wird das "Betreten Verboten"-Schild wohl noch längere Zeit bleiben. Inzwischen haben sich dort giftige und allergiefördernde Götterbäume eingenistet. Mittlerweile ist das Geäst so dicht, dass die Ruine auf Luftaufnahmen komplett unkenntlich ist. Zumindest ein Teil der Stadt wird somit ganz ohne menschlichen Einfluss renaturiert.
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