Donaucity: Von Wiens Slums zum vielfotografierten Wahrzeichen
1925 drohte auf dem Gebiet der heutigen Donaucity der sogenannte "Bretteldorfer Krieg" auszubrechen. Die Stadt Wien wollte die benachbarte, seit 1892 bestehende Mülldeponie am Bruckhaufen vergrößern und die rund 1000 Bewohner der mitunter nur aus Holzhütten bestehenden Armensiedlung vertreiben. Doch diese hoben Schützengräben aus, alarmierten die Presse und drohten heftigen Widerstand an. Mit Erfolg, denn erst 1963 - wenige Monate vor dem Start der Wiener Internationalen Gartenschau (WIG) - wurde der letzte Bretteldorfer dann tatsächlich abgesiedelt.
Donauturm und UNO-City
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das Gebiet noch alles andere als ein Schmuckstück. Im Überschwemmungsgebiet der Donau blühten Prostitution und Gewaltkriminalität, der heutige Reumannplatz ist dagegen ein Kindergeburtstag. Die Transformation kam erst in den Sechzigern und Siebzigern. Der Donaupark und der Donauturm wurden errichtet, später die UNO-City. Der Einsturz der Reichsbrücke (1976) ermöglichte den Bau einer Brücke mit U-Bahn - somit konnte das einstige Armenviertel verkehrstechnisch erschlossen werden und langsam aufblühen. Heute erinnert nur noch die Parzellierung etwa bei der Alten Donau an das Bretteldorf, nur stehen dort mittlerweile Badehütten. Ein zweites Erholungsgebiet entstand 1988 mit der Fertigstellung der Donauinsel und dem Verschwinden des Überschwemmungsgebietes.
Kurz vor dem Zusammenbruch des Ostblocks Ende der Achtziger beschlossen jedenfalls Wien und Budapest, sich für die Weltausstellung 1995 zu bewerben. Dafür sollte die A22 mit einer Platte überdacht werden, doch während der Umsetzung stimmten die Wiener in einer Befragung überraschend deutlich gegen die EXPO. So mussten Alternativen für die Nutzung gesucht werden.
Donaucity als vermeintliches Stadtzentrum
Die Donaucity sollte deshalb zum neuen, zweiten Stadtzentrum werden. Dafür wurden die Autos unter die Erde verbannt, darüber eine Fußgängerzone geschaffen. Die Bauplätze nahe der U-Bahn-Station Kaisermühlen blieben für Büros und Hochhäuser reserviert. Mit dem DC-Tower steht hier mittlerweile das höchste Gebäude des Landes. Gewohnt wird hingegen hauptsächlich im Westen der Anlage. Ein als Besuchermagnet geplantes Museum für Moderne Kunst wurde nie realisiert.
Wenn am 25. Mai in der Anlage der 25. Geburtstag mit einem Fest gefeiert wird, dann ist der Komplex immer noch nicht fertig gestellt. So sind aktuell der zweite und dritte DC-Tower im Bau, auch am ehemaligen Apcoa-Parkplatz wird die Baulücke neben der ehemaligen Copa Cagrana gerade mit Wohnungen für Musiker, Studenten und gut Betuchte aufgefüllt. Vermutlich erst im kommenden Jahr wird die Donaucity schließlich endgültig fertig sein. Durch die Neugestaltung des Uferbereiches, vor allem durch Ulli Simas Lieblingsprojekt Copa Beach, wurde der Wohnbereich weiter aufgewertet.
Alte Donau und Copa Beach
Ein zusätzliches Stadtzentrum ist "die Platte" jedenfalls nie geworden. Die Touristenbusse fahren scharenweise vorbei und legen nur einen kurzen Foto-Stopp auf der Reichsbrücke ein. Wenn an schönen Sommertagen der Copa Beach, die Alte Donau und der Donaupark gestürmt werden, ist die Donaucity beinahe menschenleer. Mit einem Billa und einem Ströck zieht man auch kein touristisches Massenpublikum an. Es gibt keine Bekleidungsgeschäfte oder Kaffeehäuser und tolle Schanigärten. Nur ein paar dürre Stangen, die Bäume darstellen sollen, prägen die Fußgängerzone. Und manchmal der starke Wind, auch wenn das Problem lange nicht mehr so schwerwiegend ist wie zu Beginn, als noch viele Gebäude als Windschutz gefehlt hatten.
Eine Freude hat auch die Werbeindustrie. Wiens Skyline ist tatsächlich in fast jedem Werbeblock im österreichischen Fernsehen mittlerweile zumindest als Hintergrund zu sehen, sogar große Blockbusterfilme wurden hier gedreht. Eigentlich wurde die Donaucity ungewollt zur Ruheoase, umringt vom prallen Leben. Den Bewohnern scheint es zu gefallen. Die Preise für Eigentumswohnungen haben sich seit den Neunzigern verdoppelt bis verdreifacht.
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