"Pumpgun-Ronnie": Serien-Bankräuber, Mörder und Marathonrekordler
Am 15. November 1988 - also praktisch genau vor 35 Jahren - endete die größte Fahndung in Österreich aller Zeiten mit einem Showdown bei der Westautobahn. Zuletzt waren mehr als 400 Polizisten und Gendarmen, 34 Diensthunde und drei Helikopter im Einsatz, um einen Serien-Bankräuber und mutmaßlichen Mehrfach-Mörder zu schnappen. Schüsse fielen - und die Flucht von Johann Kastenberger alias "Pumpgun-Ronnie", der über sechs Millionen Schilling geraubt hatte, war beendet.
Von der hohen Beutesumme (umgerechnet knapp 500.000 Euro) hatte er lediglich 30.000 Euro ausgegeben, für eine Zahnbehandlung seiner Freundin und einen japanischen Kleinwagen. Viele Hintergründe sind bis heute ungeklärt, etwa für wie viele Morde Kastenberger tatsächlich verantwortlich ist. Aufgeflogen ist er jedenfalls wegen seiner Vorliebe für einen bestimmten Hosentyp.
Die ganze Geschichte des spektakulären Kriminalfalles:
Kastenberger hatte sieben Geschwister
Dieser kommt 1958 als Kuckuckskind zur Welt. Als sein vermeintlicher Vater das herausfindet, wird sogar sein Nachname auf den Mädchennamen seiner Mutter geändert. 1970 verlässt der Vater die neunköpfige Familie, mit 18 Jahren wird Johann Kastenberger 1976 erstmals kriminell. Jede Ausbildung hatte der sportliche junge Mann zuvor abgebrochen, in der Hauptschule wurde er zurückgestuft, aus der Sportschule des Bundesheeres (HSNS) flog er hinaus.
Zunächst versucht er, in Wien eine Taxifahrerin zu überfallen, scheitert aber kläglich. Dann probiert er es in einem nahe gelegenen Supermarkt. Er schlägt einen Nachtportier nieder, doch den Tresor kann er in der Folge nicht knacken. Und als er schließlich doch noch erfolgreich ist – bei einem Banküberfall in Pressbaum (NÖ) erbeutet er umgerechnet knapp 5000 Euro – wird Kastenberger nicht einmal eine Stunde später von der Polizei auf dem Westbahnhof geschnappt. Er gesteht und wird anschließend zu sechs Jahren Haft verurteilt.
Die Gefängnisstrafe muss er wegen zahlreicher Fluchtversuche komplett absitzen. Nach seiner Entlassung, lernt er eine sechs Jahre ältere Frau kennen. Wenn diese tagsüber in einem bekannten Wiener Hotel arbeiten geht, läuft Kastenberger. Seine Lieblingsstrecken sind im Prater und entlang der Donau, wo mehrere ungeklärte Morde passieren, die er begangen haben dürfte:
Kastenberger ein Vierfach-Mörder?
- Am 25. Juli 1986 wird der Polizist Friedrich Roger (58) vor dem Wachzimmer beim Freudenauer Hafen mit einem Sturmgewehr erschossen. Ein Unbekannter hatte mit zwei Steinen ein Fenster der Wachstube eingeworfen. Als Roger, der allein Dienst hat, hinausgeht, um nach dem Rechten zu sehen, wird er aus dem Hinterhalt durch einen Kopfschuss getötet. Der Täter stiehlt dem Toten das Funkgerät, die Handschellen, dessen Dienstpistole (mit 14 Schuss) sowie seine Autoschlüssel. Das Fahrzeug des Beamten wird nahe der Wohnung von Kastenbergers Freundin gefunden.
- Am 10. Oktober 1986 wird die Prostituierte Brigitte Hranka (40) in Wien-Leopoldstadt von einem Mann mit einer Pistole bedroht, der zu ihr ins Auto gestiegen war. Dieser gab an, Polizisten und Prostituierte zu hassen und sie deshalb töten zu wollen. Hranka gelingt es, nach einem Handgemenge, aus dem Wagen zu springen und zu entkommen. Der Täter flüchtet. Er hatte aber zuvor beim Kampf das Magazin seiner Pistole verloren, dieses stammte von der Waffe des getöteten Polizisten Roger. Fast zwei Jahre später wird die Prostituierte beim Autostrich im Wiener Prater von einem Mann mit einer Pumpgun getötet. Die Beschreibung passt auf Kastenberger.
- Am 26. Mai 1984 wurde bereits die 51-jährige Helene Bubendorfer in ihrem Tankstellen-Café im niederösterreichischen Purkersdorf nach einem missglückten Raubüberfall mit einem Sturmgewehr erschossen. Derselbe Täter überfiel wenig später das Hotel Wien-West in der Bahnhofstraße, konnte jedoch auch hier keine Beute machen. Kastenberger gilt auch hier als möglicher Täter.
- Fix ist: Am 13. August 1985, erschießt Kastenberger in Mautern (NÖ) den Kfz-Mechaniker Ewald Pollhammer. Der gebürtige Niederösterreicher hatte an die Tür geklopft und Pollhammer beim Öffnen mit einer Pumgun erschossen. Pollhammer hatte denselben Wifi-Berufsumschulungskurs wie Kastenberger besucht. Das Motiv für die Bluttat: Der Mechaniker hatte im Kurs oft geraucht, was den Sportler ärgerte.
Mit Maske von Ronald Reagan
Doch von alledem ist nichts bekannt, als er acht Stunden nach dem Mord eine Raiffeisenbank in Niederösterreich überfällt. Maskiert ist er mit einer Maske des damals amtierenden US-Präsidenten Ronald Reagan, was ihm später den Spitznamen "Pumpgun-Ronnie" einbringen wird. Im Februar 1988 überfällt er an einem Tag drei Banken in Wien und Niederösterreich, wobei er rund zwei Millionen Schilling Beute macht.
Einen Monat später beraubt Kastenberger drei Geldinstitute innerhalb von drei Tagen - allein der erste Überfall auf die Länderbank in der Krottenbachstraße in Wien-Döbling bringt ihm weitere zwei Millionen ein. Auffällig ist seine Coolness, er zählt sogar in der Bank die erbeuteten Geldscheine.
Während Wiens Polizeipräsident Günther Bögl die Banken zu mehr Sicherheit drängt, wird nach dem achten Überfall eine Rekordbelohnung von 370.000 Schilling für Hinweise auf Pumpgun-Ronnie ausgesetzt. Wichtiges Merkmal: Der Täter ist „recht flott auf den Beinen“.
Das trifft auf Kastenberger zu, der seit 1988 (mit einer Zeit von 3:16:07) Rekordhalter des Bergmarathons im steirischen Kainach ist, der mit 1800 Höhenmetern als anspruchsvollster österreichischer Berglauf gilt. Er gerät auch unter Verdacht, erhält von seiner Freundin Veronika J. aber falsche Alibis. Der Marathonläufer lebt auch weiterhin in einer kleinen, eher schäbigen Altbauwohnung. Das geraubte Geld hat er zeitweise angeblich bei zwölf verschiedenen Banken gewinnbringend angelegt.
Auffällige Hose auf Überwachungsvideo
Am Freitag, dem 11. November 1988, wird der 30-jährige Kastenberger verhaftet. Zum Verhängnis wird ihm seine Liebe zu blauen Röhrenjeans mit umgestülpten Hosenbeinen, die einem Ermittler auf den Überwachungsvideos aufgefallen sind. Da auch die Beschreibung passt, kommt es zu einer Hausdurchsuchung. Die Ermittler finden zwei Schlüssel für Bankschließfächer, in denen sich fast 5,5 Millionen Schilling (rund 400.000 Euro) befinden. Kastenberger gesteht daraufhin acht Banküberfälle und den Mord an Pollhammer.
Am nächsten Tag springt er während des Verhörs in der Wiener Rennwegkaserne aus dem ersten Stock, landet auf einem Autodach und flüchtet. In den kommenden Tagen überwältigt er im Bezirk Mödling zwei Gendarmen und entwendet einem die Dienstwaffe. Mit dieser versucht er in Gaaden eine Autofahrerin als Geisel zu nehmen, als zufällig eine Gendarmeriestreife vorbeikommt. Doch Kastenberger gelingt erneut die Flucht, er taucht in den Waldgebieten des Anningers unter.
In Maria Enzersdorf entführt der 30-Jährige ein Auto und lässt den Besitzer gefesselt zurück. Der Mann kann sich jedoch befreien und die Polizei alarmieren. Die Besatzung eines Polizeihubschraubers entdeckt das Fahrzeug kurz darauf auf der A1. Die Flucht geht jedoch weiter, Kastenberger flieht durch einen Wald und stiehlt ein weiteres Fahrzeug. Bei St. Pölten durchbricht er eine Straßensperre, erleidet aber einen Einschuss in den Rücken. Wenig später hält Pumpgun-Ronnie seinen Wagen an und tötet sich mit einem Kopfschuss.
Pumpgun wurde zum Bestseller
Als Folge seiner Taten werden die Sicherheitsmaßnahmen der Banken erhöht und beispielsweise Alarmpakete eingeführt, die erbeutete Geldscheine mit Farbe unbrauchbar machen. Aufgrund der ausführlichen und reißerischen Berichterstattung boomen die ab 18 Jahren frei erhältlichen Pumpguns. Angefacht wird der Trend durch die (noch) nicht notwendige Registrierung, den ausgesprochen günstigen Preis von rund 3.000 Schilling und den aufflammenden Jugoslawienkrieg. 1996 werden diese Waffen nach zahlreichen weiteren spektakulären Verbrechen verboten, dennoch dürften noch immer mehr als 50.000 Stück im Umlauf sein.
Die berühmte Reagan-Maske sowie die ikonische Pumpgun wurden jedenfalls nie gefunden.
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