Edelbachers Erinnerungen - als die Kriminalität in Wien ausuferte
Die Kriminalitätszahlen in Österreich sind niedrig wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Dass es in den 80er- und 90er-Jahren ganz anders war, merkt man, wenn man die Memoiren des einstigen Leiter des berühmten Sicherheitsbüros (heute Landeskriminalamts Wien) liest.
Die Ostmafia tötete auf offener Straße mit einer Maschinenpistole in der Wiener Innenstadt (David Sanikidze in der Annagasse). Die Wiener Unterwelt war in eine Prater- und eine Gürtelpartie geteilt, die sich Glücksspiel und Rotlicht untereinander aufteilten.
Die Zahl der Morde war in dieser Zeit doppelt so hoch wie jetzt. Frauen wurden auf offener Straße getötet, etwa bei den Favoritner Mädchenmorden oder durch den Serientäter Jack Unterweger, der Prostituierte umbrachte und sich verdächtigt machte, als er Max Edelbacher ausgerechnet zu den von ihm verübten und damals noch ungelösten Morden interviewen wollte. Ermittler aus der Berggasse wie Edelbacher waren damals jede Woche in den Zeitungen.
Edel-Max’ Memoiren
Der Sicherheitsbüro-Chef hat viele Täter getroffen in seiner Laufbahn. Während der ebenfalls zu dieser Zeit aktive Chefermittler Ernst Geiger in Krimiform über die Favoritner Mädchenmorde und den Saliera-Diebstahl (erscheint ebenfalls demnächst) schreibt, ist das Buch von „Edel-Max“, wie er intern genannt wird, mehr biografisch. Die spannenden Passagen werden mitunter eher en passant mitgenommen.
Es ist dennoch ein unterhaltsamer Streifzug durch das Leben eines erfahrenen Ermittlers, der auch Streitigkeiten mit Wiens Bürgermeister Helmut Zilk (SPÖ) und Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) nicht aus dem Weg ging – was ihm schlussendlich seine Karriere kostete. Er wurde nach Favoriten versetzt. Nebenbei erfährt man auch wie die Polizei mit Observierungen scheiterte, weil sie nur auffällige weiße VW Käfer besaß. Damit traf die Polizei zunächst auf die Wiener Unterwelt von Bossen wie dem Roten Heinz und in den 90ern auf die Organisierte (Ost-)Kriminalität, die es offiziell allerdings nie geben durfte.
Polizei und Politik
Das mit vielen KURIER-Berichten illustrierte Buch bietet einen Blick hinter die Kulissen und wie die Politik versuchte, immer wieder der Polizei die Schuld an Missständen zu geben. Ein Paradefall ist der Fall Lainz als vier Pflegerinnen zahlreiche Patienten etwa mit „Mundspülungen“ getötet hat.
Causa Kampusch
Bei manch spektakulären Fällen äußert Edelbacher aber auch Zweifel an der offiziellen Version. Die angeblich „besoffene Geschichte“ beim Diebstahl der Saliera aus dem Kunsthistorischen Museum will der einstige Top-Ermittler ebenso wenig glauben wie die Untersuchungsergebnisse im Fall Natascha Kampusch.
So äußert er Verdachtsmomente gegen einen Freund des Entführers und eine nahe Familienangehörige von Kampusch. Deren auffälliges Verhalten und ein langes Telefonat der beiden macht den erfahrenen Kriminalisten zumindest misstrauisch. Beide wurden jedenfalls nie offiziell beschuldigt oder angeklagt.
Maximilian Edelbacher, Aufgabe Kriminalitätsbekämpfung, Biografie & Kriminalfälle. Euro 25,00; 190 Seiten, Verlagshaus Hernals.
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