Saliera - die wahren Hintergründe eines Millionencoups

Saliera - die wahren Hintergründe eines Millionencoups
Vor 20 Jahren wird das goldene Salzfass gestohlen – als in Wien ein interner Polizeikrieg tobt. Bei den Ermittlungen läuft einiges schief, zeigt ein neues Buch des damaligen Chefermittlers Ernst Geiger.

Die Tragödie um die Saliera begann mit Tränen und einer Publikumsbeschimpfung.

Wilfried Seipel, Direktor des Kunsthistorischen Museums, hatte am Montag nach dem Diebstahl des teuersten Salzfasses der Welt zur Pressekonferenz geladen. Er wusste längst, wie katastrophal die Sicherheitsvorkehrungen waren und dass der Täter über ein ungesichertes Baugerüst eingestiegen war.

Seipel war klar, dass es um seinen geliebten Job ging, also schilderte er weinend – und wenig oscarreif – wie arm er doch sei. Doch die Tränen versiegten rasch, erbost zog er über die anwesenden Journalisten her und beschimpfte die Pressevertreter per Name und Medium - darunter auch einen der Autoren dieser Zeilen.

Saliera - die wahren Hintergründe eines Millionencoups

Seipel, Saliera, Ministerin Gehrer

Doch was steckt hinter dem Diebstahl des 50 Millionen teuren Werks von Benvenuto Cellini? Der ehemalige Top-Kriminalist Max Edelbacher äußerte in seinen kürzlich erschienen Memoiren Zweifel an der offiziellen Version der „besoffenen Geschichte“ des Sicherheitstechnikers, der spontan gehandelt hat.

Nun hat auch der damalige Chefermittler Ernst Geiger seine Erinnerungen niedergeschrieben und lässt es am Ende offen, was Robert M. tatsächlich angetrieben hat.

Die Szene ist packend als sich die Ermittler und der Dieb gegenüber sitzen. M. bietet an, den Ort zu verraten, wo die Saliera vergraben ist, wenn seine Version der Geschichte als die wahre präsentiert wird.

Schnitzeljagd und Wasserwerke

Auch wenn Geiger (aus rechtlichen Gründen) betont, dass manches Fiktion sei, so ist doch praktisch alles so passiert, wie auch Zeitzeugen bestätigen. Spannend ist die Schnitzeljagd, wenn die Ermittler die Übergabe durchführen und M. den schwer kranken Kripobeamten auf dem Fahrrad durch halb Wien dirigiert. Robert M. aber entdeckt bei seinem in der Muthgasse geparkten Auto zwei weiße Lieferwagen.

Er glaubt, dass es sich um verdeckte Ermittler handelt und bricht die Aktion ab, obwohl er die echten Verfolger des Boten abgeschüttelt hat. Erbost stürmt er in einen Handyshop auf der Mariahilfer Straße, um sich ein – damals noch anonym erhältliches – Wertkartenhandy, um den Ermittlern eine bitterböse SMS-Nachricht zu schicken. Dabei übersieht er, dass in dem Geschäft eine Überwachungskamera installiert ist. „Die beiden Fahrzeuge waren von den Wasserwerken“, erinnert sich ein damals involvierter Beamter im KURIER-Gespräch. Wie so oft stolpern die großen Kriminellen über die kleinen Dinge.

Saliera - die wahren Hintergründe eines Millionencoups

Fundort der Saliera

Doch nicht nur Kleinigkeiten erfährt man in Geigers Buch über den angehenden Polizeikrieg, der Ermittlungen gegen die zwei Favoriten für den Posten des Wiener Polizeipräsidenten auslösen wird. Einer davon ist Chefermittler Geiger, der andere sein damaliger Vorgesetzter Roland H., der im Buch als Robert Dachs auftritt. Dabei werden H., pardon: Dachs unsaubere Ermittlungsmethoden und noch vieles mehr vorgeworfen. Glaubt man Insidern, so soll dabei der Fiktionsanteil eher gering sein. Und Geiger behauptet auch, ohne „Dachs“-Anweisungen wäre die Saliera schneller wieder aufgetaucht.

Doch die Rolle so mancher Beteiligter ist eigenartig. Ein Versicherungsboss, der das Erpresserschreiben zurückhält. Oder die Reise von Seipel (alias Direktor Blum) in die Toskana, bei der ihm ein Kleinkrimineller 20.000 Euro für die angebliche Saliera-Vermittlung abknöpft.

Ein Foto löst den Fall

Die Ermittler wollten das Überwachungsfoto jedenfalls geheim halten. Als zwei Zeitungen darüber berichten wollen, veröffentlichen sie es schließlich doch. Ms. Tochter erkennt ihren Vater, worauf sich dieser im Sicherheitsbüro (dem heutigen Landeskriminalamt) meldet, um alles auszuräumen. Doch der Saliera-Dieb (im Buch Nick Roßmann) verwickelt sich in Widersprüche.

Saliera - die wahren Hintergründe eines Millionencoups

Ermittler Geiger

Das Gericht folgt jedenfalls Ms „besoffener Geschichte“ mit 1,5 Promille, bei der er erst später auf die Idee mit der Erpressung kam, und verurteilt ihn zu fünf Jahren Haft, von denen er wegen guter Führung nur etwas mehr als die Hälfte absitzen muss. Fest steht allerdings, dass eine spätere Rekonstruktion ergab, dass der Diebstahl sich nicht so abgespielt haben kann, wie es der Täter beschrieben hat.

Ernst Geiger:
„Goldraub“
Verlag: edition a.
432 Seiten.
22 Euro

Kommentare