Das Mordrätsel beim Russendenkmal am Schwarzenbergplatz
Es hat wenig schmeichelhafte Namen wie Russen- oder Erbsendenkmal und ist so hässlich, viele Wiener dass davor ein Hochstrahlbrunnen gebaut wurde, der es verdeckt. Rund um das Heldendenkmal der Roten Armee für 17.000 Tote bei der Schlacht um Wien gab es mehrere spektakuläre Kriminalfälle, darunter den bis heute vielleicht rätselhaftesten Mord der Stadt.
Lebend verscharrt
Im Morgengrauen des 15. April 1958 wurde die halb vergrabene Leiche einer jungen Frau entdeckt. Sie lag in einem Gebüsch rechts vom Denkmal, hinter der dritten Säule der sogenannten Kolonnade. Sie war gewürgt, geschlagen und vergewaltigt worden. Der oder die Täter hatten sie halbtot begraben.
Die Identität der Toten wurde von der Polizei rasch geklärt, es handelte sich um ein angehendes Modell, die 21-jährige Helene Faber, die zuvor in der 22 Uhr-Vorstellung des Elvis-Presley-Films „Gold aus heißer Kehle“ im Schwarzenbergkino gewesen war. Man ging damals davon aus, dass sie im oder nach dem Kino ihrem späteren Peiniger begegnet ist.
Der Mörder hinterließ auf seiner Flucht eine Lawine an Spuren. Zwischen dem Tatort und dem Naschmarkt fanden sich Strümpfe, ein Handschuh und ein Ohrring aus dem Besitz von Faber. Die Causa erreichte bald die hohe Politik, berichtete die Öffentliche Sicherheit. Handelsminister Fritz Bock – der Dienstgeber des Vaters des Mordopfers – kündigte eine Volksabstimmung über die Wiedereinführung der Todesstrafe für Sexualverbrecher an, die Zeitungen stellten Verbindungen zu anderen Frauenmorden her und setzten selbst Belohnungen für Hinweis auf den Täter aus.
Ein Verdächtiger
Als die Beamten erste Untersuchungen am Tatort durchführten, fiel ihnen ein Verdächtiger auf. Es handelte sich um einen unterstandslosen Niederösterreicher. Johann G. (30) gab an, am Schwarzenbergplatz mit einem anderen Mann verabredet zu sein. Bei einem Baum hinter dem Russendenkmal befand sich außerdem eine Tasche mit Schlosserwerkzeug, die dem Unterstandslosen G. gehörte. Der Mann wurde festgenommen. Obwohl die Polizei meinte, Fußspuren des Niederösterreichers nicht nur beim Versteck der Tasche, sondern auch in der Nähe des Mordopfers identifizieren zu können, reichte die Beweislage nicht.
Gegen ihn als Mörder sprach jedenfalls die Spurenlage, die ja Richtung Naschmarkt deutete und nicht daraufhin, dass der Mörder beim Tatort geblieben war. Oder war er zurückgekehrt, wie es Verbrecher durchaus tun?
In Kinos und Jazzklubs wurde nach weiteren möglichen Verdächtigen gesucht. Der Mordfall wurde zum Großereignis. Der Tatort hatte eine enorme Anziehungskraft auf die Wiener. Das Faber-Begräbnis und sogar der Lokalaugenschein mussten von einem Großaufgebot der Exekutive begleitet werden, da Tausende zusehen wollten.
Ein Jahr später kam es zum Indizienprozess gegen G., der auf ein Interesse stieß wie vielleicht nur später jener gegen den US-Footballer O. J. Simpson. Sogar die Geschworenen wurden in den Zeitungen vorgestellt. Am Ende stimmte die Hälfte der Jury für schuldig, die andere für nicht schuldig. Somit erfolgte ein Freispruch. Noch Jahre und Jahrzehnte wurde über neue Wendungen spekuliert. 2002 gab es zuletzt Ermittlungen, weil sich eine Frau meldete und angab, ihr 1996 gestorbener Mann Eduard S. habe ihr die Tat noch in der Mordnacht gestanden. 2005 will ein Schweizer Forensiker G. anhand von Bissspuren überführt haben.
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