Warum der Alsergrund der wildeste Bezirk Wiens ist
Wer sich überlegt, was Wiens wildester Bezirk sein könnte, denkt zunächst wohl kaum an den beschaulichen Alsergrund. Wenn es um die Bezirkspolitik geht, hat er sich dieses Prädikat aber durchaus verdient: Gleich sechs der 40 Mandatare gehören mittlerweile nicht mehr jener Fraktion an, für die sie im Herbst 2020 ins Bezirksparlament eingezogen sind.
Aktuell ist es die SPÖ, die von gewissen Auflösungserscheinungen betroffen ist: Im vergangenen Dezember kehrten in kurzen Abständen gleich drei Mandatare dem roten Bezirksklub den Rücken und traten aus der Partei aus. Darunter auch die bisherige Klubobfrau Claudia O’Brien. Sie, Markus Delitz und Beatrix Kauf sitzen seitdem als wilde Abgeordnete in der Bezirksvertretung.
SPÖ-Bezirksgeschäftsführer Christopher Maurer spricht gegenüber dem KURIER von verschiedenen Gründen, die zu den Austritten geführt hätten. Eine Rolle habe sicher die Kontroverse rund um ein Mitglied der
Bezirkspartei gespielt. Der Mann soll gleich mehrere Parteikolleginnen vor drei Jahren sexuell belästigt haben (der KURIER berichtete). Erst Ende des Vorjahres konnte das parteiinterne Schiedsgericht seine Untersuchungen abschließen. Mit dem Ergebnis, dass die Vorwürfe nicht schwerwiegend genug seien, um einen Parteiausschluss zu veranlassen. Eine Entscheidung, die parteiintern für erheblichen Unmut sorgte.
Hinter vorgehaltener Hand werden aber auch andere Gründe für einzelne Abgänge genannt. Die Rede ist unter anderem von gescheiterten Versuchen, die Führung der Bezirkspartei zu übernehmen.
Mit dem Verlust der drei Mandatare hat die SPÖ nur noch zehn Bezirksräte. Obwohl stimmenstärkste Partei nach der Wahl (weshalb sie mit Saya Ahmad auch die Bezirksvorsteherin stellt) würde sie kurioserweise hinter die Grünen zurückfallen, die 2020 ebenfalls 13 Mandate erobern konnten.
Grüne legten vor
Allerdings haben die Alsergrunder Grünen im Vorjahr bereits vor der SPÖ ihrerseits drei Mandatare verloren. Richard Prack und Norbert Doubek wurden aus der Fraktion ausgeschlossen – der KURIER hat berichtet. Das war ein Grund, dass kurz darauf auch die langjährige stellvertretende Bezirksvorsteherin Monika Kreutz dem grünen Klub den Rücken kehrte. Eine Rolle dürften auch Unstimmigkeiten über die Ausrichtung der Grünen nach ihrem Ausscheiden aus der Regierung gewesen sein.
Das abtrünnige Trio hat sich mittlerweile unter der Führung von Kreutz zu einem eigenen Klub mit dem erdigen Namen „Damma wos“ zusammengeschlossen. Ob die Ex-Rote O’Brian Ähnliches vorhat, bleit offen. Sie war am Donnerstag nicht für den KURIER erreichbar.
Allzu harmonisch dürfte es hinter den Kulissen auch bei der Wiener ÖVP nicht zugehen. Zwar bemüht man sich zu betonen, dass das Verhältnis der Parteispitze mit der Wirtschaftskammer Wien seit dem Abgang von Gernot Blümel besser geworden sei. Dass das tatsächlich stimmt, darf bezweifelt werden.
Anders ist es kaum zu erklären, dass einen Tag vor dem ÖVP-Misstrauensantrag gegen Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) – man wirft ihm Versagen im Bildungsbereich vor – eine un-
gewöhnliche Pressekonferenz verkündet wurde: Wirtschaftskammer-Chef Walter Ruck gab bekannt, mit Wiederkehr vor die Medien treten zu wollen – ausgerechnet zum Thema Bildung in Wien. Ruck war unlängst schon mit Abwesenheit bei der Neujahrsrede von ÖVP-Chef Karl Mahrer aufgefallen. Beides eine Machtdemonstration, munkelt man.
Weiter innig geht es zwischen Ruck und Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) zu: Dieser verleiht Ruck das „Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien“. Dass der Termin am Valentinstag stattfindet, ist Zufall.
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