Dass sie lieber gegen die Anweisung ihres ÖVP-Obmanns Karl Mahrer verstoßen – Kriz-Zwittkovits ist sogar seine Stellvertreterin in der Partei – als Ruck zu verärgern, sagt so einiges über die Machtverhältnisse aus.
Bei einer Sitzung des Landesparteivorstands am selben Abend wurde die Geschichte bekannt und Mahrer las Ruck die Leviten. Ob er, Ruck, wisse, „dass er hier nicht als Wirtschafskammer-, sondern als Wirtschaftsbund-Chef“ sitze. Ruck, so erzählt man sich, habe all das stoisch über sich ergehen lassen.
Déjà-vu für Ruck
Ruck erlebt dieser Tage ein Déjà-vu. Mahrer ist der zweite Parteichef in Folge, mit dem er sich anlegt. Schon einmal wurde er, damals von Gernot Blümel, aus dem Kreis des Vertrauens ausgeschlossen. Der Grund, damals wie heute: Das enge Vertrauensverhältnis von Ruck und Ludwig, die in Wien gerne gemeinsam Politik machen – und das auch offen zur Schau tragen.
Als sich Blümel in der Endphase der Wien-Wahl 2020 in Sachen Corona-Fixkostenzuschuss mit der EU anlegte, traf Ruck gemeinsam mit Ludwig Martin Selmayr, Vertreter der EU-Kommission in Wien. Man postete ein Foto, auf dem man hemdsärmelig diskutierte und miteinander lachte. Bei den türkisen Strategen rund um Blümel war spätestens da der Ofen aus.
Unter Mahrer kam es zur Annäherung, man gab gemeinsame Interviews, betonte die gegenseitige Freundschaft. Klar, Blümels Nachfolger verschrieb sich der Annäherung an die Wiener SPÖ.
Da war Ruck, der auch gute Beziehungen zum mächtigen, ÖVP-affinen roten Finanzstadtrat Peter Hanke pflegt, ein idealer Türöffner. Als die Wiener ÖVP stärker auf Konfrontation mit der SPÖ ging, wusste Ruck sofort, auf wessen Seite er steht. Nicht auf jener von Mahrer. Seither ist es mit dem Frieden wieder vorbei.
Ob Ruck das mehr schadet als Mahrer? Unklar.
Zwei Fronten
Der ÖVP-Chef ist ohnehin unter Druck. Dass er sich nach dem Abgang von Generalsekretärin Laura Sachslehner im Bund gegen deren harten Kurs in der Asylpolitik ausgesprochen hat, hat besonders jene Mandatare verärgert, die zur Linie von Ex-Parteichef Sebastian Kurz zurückkehren wollen. Auch Klubchef Markus Wölbitsch konnte erst nach einem klärenden Gespräch auf Linie gebracht werde. Zumindest vorerst.
Dass Mahrer jetzt eine zweite Front eröffnet hat, indem er seinen Fürsprecher Ruck angreift, finden in der Partei viele taktisch unklug – vor allem, weil man sich von dessen stoischer Miene nicht täuschen lassen dürfe: „Der Walter wird das sicher nicht auf sich sitzen lassen.“
Der türkise Flügel könnte nun die Nähe zu Ruck suchen, um Mahrer abzusägen. Ob Ruck für einen Obmann-Sturz zu haben wäre, ist aber unklar. Böse Zungen sagen, Ruck sei es „egal, wer unter ihm ÖVP-Wien-Chef ist“.
Machtmensch
Woher aber rührt seine unerschütterliche Nähe zu Michael Ludwig? Ruck ist ein Machtmensch. Er ist in seinem Selbstverständnis vor allem Wirtschaftskammer-Chef und nicht Oppositionspolitiker.
Die Nähe zu Ludwig hilft ihm, eigene Projekte für seine Kammermitglieder durchzusetzen. „Würde sich Ruck nur auf die ÖVP-Sympathisanten unter den Unternehmern verlassen, gäbe es bei der Wirtschaftskammerwahl nicht viel zu gewinnen“, heißt es.
Auch bei Initiativen der Stadt – etwa beim Gastro-Gutschein – darf Ruck oft mit aufs Foto. Zum Ärger der Neos. „Ob Grün oder Pink – der eigentliche Koalitionspartner von Ludwig heißt immer Ruck“, lautet ein geflügeltes Wort.
Dafür hält er Ludwig den Rücken frei, wenn es brenzlig wird: Das PCR-Testregime „Alles gurgelt“ hat man gemeinsam entwickelt. Als die Stadt vom Bund für das kostenintensive, aufwendige Projekt und ihren Corona-Kurs attackiert wurde, rückte die Kammer aus und ließ den Nutzen sogar mittels Studie bestätigen.
Erfolgreich
Auch zu „Stolz auf Wien“ – dem eher missglückten Unternehmens-Rettungsprojekt der Stadt – schwieg man, als die ÖVP längst Attacken dagegen ritt. Und als der Bund die Quarantänepflicht kippte, trat man gar an die Seite der SPÖ und kritisierte die Lockerung.
Bislang ist der Paarlauf für Ruck und Ludwig von Erfolg gekrönt.
Wenig verwunderlich also, dass die beiden wartenden ÖVP-Mandatare am Montag ausgerechnet von der SPÖ erlöst wurden: „Wollen eure Kollegen nicht wieder reinkommen?“, soll der SPÖ-Mandatar Kurt Stürzenbecher im Ausschuss in Richtung ÖVP gefragt haben, als die strittigen Abstimmungen endlich vorbei waren.
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