Die Wiener Grünen zwischen Kooperation und Konfrontation
Bis jetzt war der Parteiaustritt des stellvertretenden Bezirksvorstehers von Margareten, Thomas Kerekes, eine zwar durchaus spannende, wenngleich nicht die Landespolitik erschütternde Angelegenheit.
Doch mit dem Rücktritt der langjährigen Bezirksvorsteherin-Stellvertreterin Momo Kreutz am Alsergrund bekommt auch der von Kerekes eine neue Dimension.
Kurz vor der Wien-Wahl 2020 wurde Kerekes spontan Spitzenkandidat für die Grünen in Margareten: die geplante Spitzenkandidatin Nikola Furtenbach hatte sich aus gesundheitlichen Gründen zurückgezogen. Vor etwas mehr als einer Woche trat Kerekes dann überraschend aus der Partei aus: „Die Zusammenarbeit mit anderen Parteien war nicht gewollt“, argumentierte er etwas kryptisch.
Am Mittwoch der nächste Austritt: Momo Kreutz legte ihr Mandat bei den Grünen Alsergrund zurück. Bezirkspolitisch ist das brisant: Kreutz war das Gesicht ihrer Partei im 9. Bezirk, zehn Jahre lang war sie auch Bezirksvorsteherin-Stellvertreterin.
Dass im Sommer zwei ihrer Kollegen, die Bezirksräte Richard Prack und Norbert Doubek, aus der Fraktion ausgeschlossen wurden, „konnte ich für mich nicht mehr vertreten“, sagt Kreutz zum KURIER. Nicht der einzige Grund für ihren Rücktritt, wie sie erzählt. Kreutz konnte sich auch nicht mit der neuen Strategie der Grünen im Bezirk – „nur noch Fundamental-Opposition“, wie sie sagt – anfreunden.
Bisher gaben sich Rot und Grün am Alsergrund betont kooperativ. So kooperativ, dass Kreutz einst für die damalige Bezirksvorsteher Martina Malyar den Bezirk führte – und nicht deren roter Stellvertreter.
Ein Kuschelkurs, der den Grünen am Alsergrund seit der Wahl 2020 wohl nicht mehr gern gesehen ist: Der Bezirk blieb damals wegen zwei Prozentpunkten Unterschied in der Hand der SPÖ. „Seit der Wahl gibt es nur noch Hickhack, weil sich die Grünen noch nicht gefunden haben“, sagt ein Insider zum KURIER.
Bizarrer Baum-Streit
Deutlich veranschaulicht hat das zuletzt die „Baumrettung“, der sich die Grünen am Alsergrund verschrieben haben: Seit knapp einem Jahr machen sie gegen „geplante Baumfällungen“ im Anne-Karlsson-Park mobil.
Wegen des geplanten U-Bahn-Baus seien 36 „jahrhundertealte“ Bäume dem Tod geweiht und 28 weitere gefährdet.
Die Grünen umarmen deshalb die Bäume, sie binden Papiergirlanden um die Bäume, sammeln Unterschriften für die Bäume. Im Sommer rückte sogar Landesparteichef Peter Kraus an, um sich mit der neuen Bezirksvorsteherin-Stellvertreterin Josefa Molitor-Ruckenbauer und ernster Miene vor den Bäumen fotografieren zu lassen.
Nur: Es ist noch gar nicht fix, wie viele und welche Bäume dort überhaupt gefällt werden müssen. Die Pläne der Wiener Linien liegen noch nicht vor. Die rote Bezirksvorsteherin Saya Ahmad warf den Grünen via KURIER daraufhin „Irreführung“ vor. „Wir hätten auch sagen können: Schauen wir uns die Pläne einmal an“, meint auch die Ex-Grüne Kreutz.
„Keine klare Linie“
Dass sich die Grünen auf Landesebene seit der Wien-Wahl vor zwei Jahren mit der Oppositionsrolle begnügen müssen, wirkt sich auf die Bezirke aus.
Derzeit, sagt ein Grüner, befänden sich die Wiener Grünen zwischen den Polen: „Draufhauen wie beim Lobau-Tunnel – oder eher sachlich zurückhaltend wie bei der Wien-Energie“. Man will sich kantig zeigen, aber auch die Chancen auf eine mögliche Rückkehr in eine Koalition mit der SPÖ nicht zerstören. „Ich erkenne derzeit keine klare Linie auf Landespartei-Ebene.“
Auch dass seit geraumer Zeit eine Umfrage herumschwirrt, in der die Bier-Partei von Marco Pogo auf überraschende 8 Prozent kommt und die Grünen nur noch 10 Prozent erreichen (bei der Wahl waren es 14,8 Prozent), sorgt für Verunsicherung.
Dass es am Alsergrund zu Parteiausschlüssen und Rücktritten gekommen ist, verärgert jedenfalls so manchen. Ein respektvoller Umgang tue den Grünen gut – „innerhalb und außerhalb der Partei“, ist zu hören. „Es ist nicht alles eine Frage der Moderation. Es geht auch um Führung.“ Ein Seitenhieb auf das neue Führungsduo.
Offiziell will man die Austritte bei den Grünen übrigens nur sehr spärlich kommentieren. Der Austritt von Kerekes sei „unerwartet“ gewesen, hieß es auf Anfrage. Bei Kreutz wählte man ein fast identes Wording.
Weitere Überraschungen nicht ausgeschlossen.
Kommentare