Wien auf "roter Corona-Liste": Rathaus ortet Wahlkampf-Spielchen
Ausgesprochen konsterniert gibt man sich in der Wiener Stadtregierung darüber, dass Deutschland Wien zur Risikozone erklärt hat. Alles hinter vorgehaltener Hand natürlich.
Von offizieller Seite gibt es nur knappe Kommentare: "Wir gehen davon aus, dass der Außenminister zu diplomatischen Fragen Stellung nimmt", sagt ein Sprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ).
Denn als solche sei die Maßnahme Deutschlands zu verstehen. Und weil Wien bekanntlich keine Rolle in der "Reisewarnungsdiplomatie" spiele, gebe es auch keinen Anlass für eine Stellungnahme.
Die diplomatischen Beziehungen zwischen Stadt und Teilen der Bundesregierung dürfte diese neue Entwicklung zumindest nicht verbessern. Schon in den vergangenen Wochen war die Stimmung denkbar schlecht.
Als zuletzt offenbar das Bundeskanzleramt sehr vehement darauf drängte, in Wien die Corona-Ampel auf Orange zu stellen, war schließlich der vorläufige Tiefpunkt erreicht.
Anschober demütigen?
Auch dafür, dass Deutschland nun Wien auf die "Rote Liste" gesetzt hat, macht man in der Stadtregierung die ÖVP verantwortlich. Das Ziel der Türkisen sei es demnach, Wien vor der Wahl schlechtzumachen und den grünen Gesundheitsminister Rudolf Anschober "maximal zu demütigen". Zwischen ihm und der Stadt herrscht bestes Einvernehmen. Das war auch am Mittwoch offenkundig, als sich der grüne Minister demonstrativ vor die Stadtregierung stellte, die in den letzten Tagen immer mehr unter Beschuss geraten war.
Der Grund: Tagelange Wartezeiten auf Corona-Testergebnisse, eine überlastete Gesundheitshotline und mitunter viel zu spät ausgestellte Quarantäne-Bescheide. "Seitens der Stadt Wien ist aber ein Problembewusstsein vorhanden. Sie will das Personal aufstocken", betont Anschober. "Damit bin ich zufrieden." Man müsse auch bedenken, dass Wien als Großstadt völlig andere Herausforderungen bei der Bekämpfung des Virus habe als ländliche Regionen, sagt der Minister.
Konkret will die Stadt das Personal für das Contact Tracing (Aufspüren der Kontaktpersonen von Infizierten) von derzeit 100 auf 600 aufstocken, kündigt Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ).
Die Gesundheitsbehörde bekommt außerdem 150 neue Mitarbeiter, die unter anderem für die Bescheide zuständig sein werden. Zusätzlich werden die befristeten Verträge von 380 zuletzt neu aufgenommenen Mitarbeitern im Gesundheits- und Pflegebereich über den Jahreswechsel hinaus verlängert.
Dass Berlin Wien auf die "Rote Liste" setzt, nimmt Ludwig gelassen und verweist auf andere Metropolen mit demselben Schicksal.
Wiens ÖVP-Chef Gernot Blümel sieht das anders: "Das ist ein Alarmsignal für den Standort Wien. Es geht um Umsätze und Arbeitsplätze für unsere Stadt. Das als ,keine Besonderheit‘ abzutun ist schlicht zu wenig", kritisiert er Ludwig.
Rechnungshof
Einen Schritt weiter gehen die Neos. Sie rufen den Stadtrechnungshof an, der das in ihren Augen chaotische Corona-Management untersuchen soll.
Klubchef Christoph Wiederkehr: "Die Stadtregierung hat geschlampt, sie hat im Sommer offenbar geschlafen und sie vertuscht jetzt offenbar ihre Fehler."
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