Szekeres: "Wenn man nicht ernst genommen wird, hat es keinen Sinn"
KURIER: Die Regierung hat erst großflächige Lockerungen durchgeführt. Jetzt muss sie zurückrudern und wieder die Maskenpflicht einführen. Wie zufrieden sind Sie mit dieser Performance?
Thomas Szekeres: Ich bewundere die Politiker, die in Zeiten wie diesen bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Gleichzeitig wäre es sicherlich sinnvoll gewesen, sich mehr an den Empfehlungen der Experten zu orientieren. Das ist nicht passiert und man hat mit den Lockerungen einen Anstieg der Zahlen erreicht. Es war fast zu befürchten.
Welche Maßnahmen müssten aktuell ergriffen werden?
Zusätzlich zur Maskenpflicht könnte man Homeoffice forcieren, wo es möglich ist. Auch bei Großveranstaltungen sollte eher Vorsicht geboten sein. Ich würde im Moment keine besuchen.
Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres zu Gast im Checkpoint bei Josef Gebhard
Zuletzt wurde diskutiert, dass infizierte Mitarbeiter im Gesundheitssystem nicht mehr in Quarantäne müssen, wenn sie symptomfrei sind. Eine sinnvolle Idee?
Ich wäre hier sehr zurückhaltend und vorsichtig. Ich würde unbedingt abwarten, bis jemand negativ getestet ist und ihn erst dann arbeiten schicken. Schließlich haben die Mitarbeiter Kontakt zu Patienten, die sehr empfindlich sind und nach einer Infektion schwer erkranken können.
Ist das geplante Aus für die Gratistests eine sinnvolle Maßnahme?
Ich würde abwarten. Gerade in einer Phase mit allerhöchsten Infektionszahlen würde ich an der derzeitigen Strategie nicht rütteln.
Es gibt aber Experten, die das ziellose Testen für wenig sinnvoll erachten.
Das kann man nicht so sagen. Das zeigt das Beispiel Wien, wo sehr viel getestet wird und es im Vergleich zu Rest-Österreich relativ niedrige Infektionszahlen gibt.
Sie sitzen ja auch in der Gecko-Kommission, die die Regierung berät. Bundesrettungskommandant Gerry Foitik hat nun das Gremium verlassen – mit der Begründung, Gecko werde von der Bundesregierung instrumentalisiert. Hat er recht?
Ich kann nachvollziehen, was er gesagt hat. Gleichzeitig hat der neue Gesundheitsminister Rauch sich entschuldigt und zugesagt, dass er in Zukunft anders mit Gecko umgehen wird. Es wäre sinnvoll und hilfreich, wenn sich die Regierung an die Empfehlungen halten würde.
Sie selbst bleiben vorerst Gecko-Mitglied?
Ja, sofern sich die Situation nicht ändert. Wenn man gar nicht mehr ernst genommen wird, dann macht es natürlich keinen Sinn, da zu sitzen.
Themenwechsel: Am Samstag war in Wien Ärztekammer-Wahl. Die Impfgegner von der MFG haben auf Anhieb sechs von 90 Mandaten erobert. Wie erklären Sie sich, dass ausgerechnet Ärzte so eine Partei wählen?
Naja, das große Ausmaß muss ich relativieren. Die haben von 14.000 Wiener Ärzten 400 Stimmen bekommen. Das ist zu viel, aber das ist nicht sehr viel.
Prozentmäßig war die MFG stärker als bei der Oberösterreich-Landtagswahl.
Ich kann mir das auch nicht gut erklären, wieso gerade Ärzte so eine Gruppe unterstützen können.
Patientenanwältin Sigrid Pilz kritisiert, dass die Ärztekammer viel zu sorglos mit Ärzten umgeht, die Methoden anbieten, die wissenschaftlich nicht belegt sind. Etwa die Homöopathie. Hat sie damit recht?
Ärzte sind gesetzlich dazu verpflichtet, auf Basis wissenschaftlicher Evidenz zu behandeln. In manchen Fällen helfen aber auch komplementärmedizinische Therapien, wenn man keine Ursache findet. Von der Ärztekammer werden solche Ausbildungen auch angeboten, damit der ganze Bereich der Komplementärmedizin in ärztlicher Hand bleibt. Wir möchten verhindern, dass nichtausgebildete Menschen mit pseudowissenschaftlichem Hintergrund Patienten behandeln.
Geht es hier nicht auch um ökonomische Interessen?
Die Ökonomie spielt sicherlich für Einzelne eine Rolle. Aber die überwiegende Mehrzahl der Ärzte hat diesen Beruf gewählt, um Kranke gesund zu machen und um Krankheit zu verhindern.
Sie sind bei der Wahl wieder zweiter geworden und brauchen erneut Koalitionspartner, um Präsident zu werden. Kommt für Sie ein Bündnis mit der MFG in Frage?
Das ist eine Gruppe von Ärzten, die offensichtlich das Impfen und die Krankheit anders sehen als der Großteil der Bevölkerung. Und das ist so weit weg, dass ich mir eine Zusammenarbeit nicht vorstellen kann.
Und mit wem wollen Sie koalieren?
Am liebsten hätte ich eine möglichst breite Mehrheit, weil die Gruppen, die die Kammer geleitet haben, ja dazugewonnen haben. Zudem ist die Liste von Johannes Steinhart gleich stark geblieben. Es gibt also drei Gruppierungen, die gemeinsam die größte und die breiteste Menge an Kollegen offensichtlich gut vertreten haben.
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