Studie belegt: Radfahrer mögen Pop-up-Radwege

Studie belegt: Radfahrer mögen Pop-up-Radwege
106 Städte in Europa wurden untersucht – der Anteil der Radfahrer stieg zwischen 11 und 48 Prozent

Sie waren der wohl größte Aufreger im ersten Lockdown – und danach. Die vier Pop-up-Radwege, die die damalige Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne) auf der Praterstraße und Lassallestraße (2. Bezirk), Hörlgasse (9. Bezirk) und Wagramer Straße (22. Bezirk) installierte. Mittlerweile gibt es keinen mehr (siehe Chronologie unten).

Studie belegt: Radfahrer mögen Pop-up-Radwege

Nicht nur in Wien wurden zu Beginn der Pandemie – also im Frühjahr 2020 – solche temporären Fahrradwege auf Fahrbahnen oder Parkstreifen errichtet. Und nicht nur in Wien sorgten diese für große ideologische Debatten. Und zwar nicht nur darüber, ob die temporären Fahrradstreifen überhaupt von Radfahrern genutzt werden (das war etwa Inhalt der Kritik zum Radweg in der Hörlgasse), sondern auch darüber, ob sie eine Gefahr bedeuten und wirklich zum Umstieg vom Auto auf das Rad beitragen. (Darum ging es vor allem in der Debatte um die Radwege in der Prater- und Lassallestraße).

Eine neue Studie zeigt nun aber, dass Pop-up-Radwege tatsächlich den Anteil an Radfahrern im Straßenverkehr erhöhen. Veröffentlicht wurde sie von zwei Forschern des Berliner Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) im Fachjournal Pnas.

106 europäische Städte wurden für die Studie untersucht. Darunter auch Wien, Berlin, Paris und Dublin. Die Studienautoren bedienten sich dabei der Daten von insgesamt 736 amtlichen Fahrrad-Zählstationen und jenen des Monitorings des Europäischen Radfahrerverbands zu den „Corona-Radwegen“.

Fehlende Radwege

Die Ergebnisse sind durchaus erstaunlich: In den untersuchten Städten stieg der Anteil der Radfahrer im Straßennetz von März bis Juli 2020 aufgrund der neu geschaffenen Pop-up-Radwege an. Und zwar zwischen 11 und 48 Prozent. Die Studienautoren gehen davon aus, dass der Effekt dann am größten ist, wenn es in Städten zwar Potenzial für Fahrradverkehr gibt, bisher aber die Wege dafür gefehlt haben. Insgesamt wurden bis Juli in europäischen Städten 2.000 Kilometer Pop-up-Radwege geschaffen (siehe Grafik).

Die grundsätzlich höhere Motivation, in Pandemiezeiten mit dem Rad und nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, wurde als möglicher „Störfaktor“ herausgerechnet. Ebenso Unterschiede bei der Bevölkerungsdichte, der Dichte des Öffi-Netzes, der Topografie und sogar bezüglich des Wetters.

Studie belegt: Radfahrer mögen Pop-up-Radwege

Dass Pop-up-Radwege oft auf Hauptstraßen eingerichtet wurden – auch in Wien wurde das kritisiert – , sei laut der Studie aber sogar positiv zu bewerten. Denn: So können Lücken im Radnetz gefüllt werden, was eine Verbesserung des gesamten Radwegenetzes bedeute. Und das zu deutlich geringeren Kosten als das Bauen dauerhafter Radwege kosten würde. In Berlin etwa sei der Bau von temporären statt dauerhaften Radwegen pro Kilometer um 9.500 Euro günstiger.

Laut der Studie haben Pop-up-Radwege zudem nicht nur (erwartbare) positive Effekte auf die Gesundheit, sondern auch auf das Gesundheitssystem. In Deutschland könnten die temporären Strecken zwischen einer halben und 1,7 Milliarden Euro Kostenersparnis im Gesundheitssystem bringen.

Pandemie-Effekt fraglich

Unklar ist bis jetzt, ob die Zunahme des Radverkehrs ausschließlich mit der Pandemie zu tun hat (also Menschen lediglich während und wegen der Pandemie auf das Rad umgestiegen sind) – und deshalb nicht von langer Dauer ist. Oder ob die Effekte tatsächlich nachhaltig sind. Menschen also während (und wegen) Corona auf das Rad umgestiegen sind und auch künftig mit dem Rad fahren wollen.

Dazu ist laut den Wissenschaftern weitere Forschung notwendig. Diese, sagen sie, würde auch „ideologische Grundsatzdebatten“ verhindern.

Vorgeschichte
Wie kann man während der Pandemie für die Menschen in der Stadt genügend Platz im Freien schaffen, ohne  Infektionen zu riskieren? Darüber entspannen sich im vergangenen Frühjahr mitunter hitzige Debatten  in Wien.   Ihren ersten Höhepunkt erreichten sie im April rund um die vorläufige Schließung der Bundesgärten durch das Landwirtschaftsministerium

April 2020
Ein Rezept der damaligen grünen Verkehrsstadträtin Birgit Hebein waren temporäre Begegnungszonen – also vorübergehend verkehrsberuhigte Straßen, auf denen die Menschen spazieren können. Zunächst wurden vier Straßen umgestaltet. Insgesamt waren es im Laufe der Zeit 26. Der Koalitionspartner SPÖ hatte mit dem Projekt allerdings keine rechte Freude, etliche der Zonen wurden zudem von der Bevölkerung kaum angenommen

Mai 2020
Ähnlich Kontroversen löste die zweite Idee Hebeins hervor: sogenannte Pop-up-Radwege – provisorisch eingerichtete Verkehrsflächen, um Radfahrern mehr Platz zu verschaffen.  Der erste wurde am 7. Mai in der Praterstraße (Leopoldstadt) eröffnet. Hebein begründete die aus anderen Städten übernommene Maßnahme damit, dass der Radverkehr wegen der Pandemie stark zugenommen habe.  Später kamen  noch Pop-up-Radwege auf der Wagramer Straße (Donaustadt), Hörlgasse (Alsergrund) und in der Lassallestraße (Leopoldstadt) hinzu. Drei der Radwege hatten bis Anfang November Bestand

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