
© Josef Gebhard
Seniorenwohnheime: Ein Wiedersehen am Plauderplatzl
Nach Wochen der Corona-bedingten Isolation sind Besuche wieder erlaubt. Ein Lokalaugenschein
âGut schaust aus, fit wie ein Turnschuhâ, begrĂŒĂt Wolfgang Nastl seinen Vater Oskar. Umarmung gibt es aus SicherheitsgrĂŒnden keine, dafĂŒr einen kleinen SchmĂ€h als WillkommensgruĂ.
Gemeinsam mit seiner Frau lebt der 90-JĂ€hrige im Seniorenwohnheim âHaus Prater â im 2. Bezirk. Seit Mitte MĂ€rz hatte er keinen direkten Kontakt zu seinen Angehörigen mehr. Telefonate und ein Winken durchs Fenster ausgenommen. Erst am Montag durften sie die beiden endlich wieder treffen.
Als Hochrisikopatienten war es Bewohnern von Alten- und Pflegeheimen strikt untersagt, Besucher zu empfangen, um eine Infektion mit dem Coronavirus zu verhindern. Auch das Verlassen der HĂ€user war erheblich eingeschrĂ€nkt â was wie berichtet auch fĂŒr Kritik sorgte.
Seit Montag ist wieder ein StĂŒck NormalitĂ€t eingekehrt. Unter Auflagen sind nun Besuche wieder erlaubt.
Wobei die neue NormalitĂ€t hier im Haus Prater vielleicht noch etwas gewöhnungsbedĂŒrftig ist. Das beginnt beim breitschultrigen Sicherheitsmann, an dem es beim Eingang kein Vorbeikommen gibt, ehe er nicht jeden Besucher nach auffĂ€lligen Beschwerden (Husten, Halsweh, Kopfweh) befragt und die Temperatur gemessen hat. Dieser Prozedur mĂŒssen sich auch die Mitarbeiter unterziehen. Aber auch die Bewohner, wenn sie das Seniorenheim verlassen haben, was seit 1. Mai wieder uneingeschrĂ€nkt möglich ist.

Fiebercheck fĂŒr alle Besucher, Bewohner und Mitarbeiter
Was erlaubt ist
FĂŒr die eigentlichen Treffen sind sogenannte âPlauderplatzlâ im Foyer und im Garten eingerichtet: Kleine Tische fĂŒr zwei Personen mit dem unvermeidlichen Desinfektionsmittel neben der Wasserkaraffe. Und einer Hinweiskarte, wo noch einmal ausgelistet ist, was erlaubt ist und was nicht: Umarmungen sind tabu, nicht aber BerĂŒhrungen, wenn man sich vorher desinfiziert hat.

Geplaudert wird dann mit dem nötigen Sicherheitsabstand von einem Meter und mit Maske. GrundsÀtzlich ist ein Besuch nur nach Anmeldung möglich und dauert maximal 45 Minuten.
Mitarbeiter achten darauf, dass diese Regeln auch eingehalten werden. Wobei sie den Auftrag haben, so dezent wie nur möglich aufzutreten. âWir nennen sie daher auch nicht Kontrollore, sondern Corona-Lotsen. PrimĂ€r setzen wir aber auf den Hausverstand der Bewohner und Besucherâ, sagt Claudio May, Direktor des Hauses, das zum Kuratorium Wiener Pensionisten-WohnhĂ€user gehört.
Wolfgang und Oskar Nastl scheinen sich damit gut zurechtzufinden: Entspannt setzen sie sich in den Garten und prosten einander mit Wasser zu. Entspannt sehen sie auch die Restriktionen der vergangenen Wochen: âIch habe die Lage mit Fassung getragen, telefonisch waren wir eh in Verbindung. Wir sehen uns ohnehin das ganze Jahr ĂŒberâ, sagt der 90-JĂ€hrige. FĂŒr das Besuchsverbot habe er âselbstverstĂ€ndlichâ VerstĂ€ndnis gehabt.
âWir haben eine Reihe von BegleitmaĂnahmen gesetzt, um die HĂ€rte des Besuchsverbots so weit wie möglich abzufedernâ, sagt May. So seien etwa Tablets verteilt worden, damit die Bewohner wenigstens per Videotelefonie mit ihren Angehörigen verbunden sein konnten. âIch glaube, insgesamt ist der Leidensdruck vertretbar gewesenâ, betont er.
Kritik an Debatte
Zuletzt hatte die Wiener PatientenanwĂ€ltin Sigrid Pilz eine Diskussion angestoĂen, ob es Bewohnern zumutbar sei, ĂŒber so lange Zeit derartigen EinschrĂ€nkungen unterworfen zu sein. âDie Aussagen der PatientenanwĂ€ltin haben mich richtig zornig gemachtâ, sagt Michael Bicsik, dessen Eltern ebenfalls im Haus Prater leben. âDie Erfahrungen aus anderen LĂ€ndern haben gezeigt: Wenn das Virus in Seniorenwohnheime gelangt, kann das die Hölle sein.â Man dĂŒrfe auch nicht vergessen: âDie Bewohner gehören der Kriegsgeneration an, die haben ganz andere Sachen erlebt.â
Bis dato ist das Haus Prater weitgehend von der Pandemie verschont geblieben. Lediglich einer der knapp 400 Bewohner hat sich infiziert, weiters zwei Mitarbeiter. âDas zeigt, dass die strikten MaĂnahmen greifen, sagt May.
Ein sorgfĂ€ltiges Monitoring soll dafĂŒr sorgen, dass es nach Lockerung der Besuchssperre möglichst keine weiteren FĂ€lle gibt.
Der Nachholbedarf bei den Angehörigen ist groĂ. Jeder der 72 stark pflegebedĂŒrftigen Bewohner der Stationen bekommt diese Woche mindestens einen Besuch, fĂŒr den Wohnbereich gibt es 20 Anmeldungen. Wobei die dortigen, wesentlich gesĂŒnderen Bewohner theoretisch das Haus verlassen können, um ihre Angehörigen zu treffen.
Wolfgang Nastl ist das zu riskant. Er bittet seinen Vater, auch jetzt noch lieber im Seniorenheim zu bleiben. âKein Problemâ, ist dieser gelassen, âim Garten hier ist es eh viel schöner als auf der StraĂeâ.
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