Wochenlang Geschäftsmann erpresst: Polizei schnappt Schutzgeld-Bande
Versuchte schwere Körperverletzung, schwerer Raub mit Messergewalt, schwere Sachbeschädigung in Form von drei Brandanschlägen und kriminelle Vereinigung. Die Liste an Delikten, die einer siebenköpfigen Bande aus Meidling vorgeworfen wird, ist lang.
Die Burschen - alle Beschuldigten sind im Alter von 14 und 18 Jahren - hatten es auf einen Handyshop-Betreiber in der Steinbauergasse im 12. Bezirk abgesehen. Zuerst terrorisierten sie den Mann, dann sollen sie versucht haben, Schutzgeld zu erpressen.
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"Drei Faktoren an diesem Fall sind bemerkenswert: Die extrem hohe kriminelle Energie der Bande, deren jugendliches Alter und schlussendlich der rasche Ermittlungserfolg", fasste Oberst Gerhard Winkler, Leiter des Ermittlungsdienstes des LKA, die vergangenen Wochen zusammen.
Dass die "Molotow-Bande" mit ihrer Schutzgeldforderung scheiterte, lag - neben der Tatsache, dass sich sich das Opfer nicht, wie erwartet, einschüchtern ließ - vor allem daran, dass die Polizei die Verdächtigen rasch ausforschte.
Denn nachdem es am 8. September dieses Jahres zum ersten Brandanschlag auf das Geschäft kam, gab es bereits am 26. September die erste Festnahme.
Drei Wochen in Angst
Die Zeit dazwischen müssen für den Betreiber des Handygeschäfts jedoch die reinste Qual gewesen sein. Schon vier Tage nach der ersten Attacke, am 12. September, drangen vier mit Messer bewaffnete junge Männer in den Shop ein.
Sie bedrohten offenbar den Inhaber und zerstörten dessen Vitrine. Sie sollen schließlich mit zwei Smartphones geflüchtet sein. Am 14. September warfen die Burschen laut Polizei Böller in die Auslage des Shops, wodurch diese beschädigt wurde. Wenig später bot die Gruppe dem Geschäftsmann erstmals Schutz gegen Bezahlung an.
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Als dieser ablehnte, versuchten sie es noch einmal via WhatsApp. Doch auch dieser Versuch brachte keinen Erfolg, woraufhin die jungen Männer offenbar zu drastischeren Mitteln griffen. Am 19. September sollen sie Molotow-Cocktail in das Geschäft geworfen haben. Darin befanden sich der Inhaber und seine Frau.
"Dass niemand schwer verletzt wurde, war reines Glück", schildert eine involvierte Polizistin, die im Bereich Bandenkriminalität ermittelt und daher anonym bleiben möchte. Winkler zufolge konnte Schlimmeres nur verhindert werden, weil der Ladenbesitzer schnell reagierte und den Brand löschte.
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Die Cocktails "bastelten" die Burschen übrigens, indem sie mit Bechern zu einer Tankstelle marschierten und dort Benzin zapften.
Entscheidender Hinweis
Ausgerechnet dieser, laut Polizei schwerste Angriff, dürfte die Bande aber schlussendlich zu Fall gebracht haben. Vor dem Geschäft hielt sich nämlich ein 15-jähriger Syrer auf, der das Geschehen filmte und sich verdächtig verhielt. Zeugen beobachteten den Jugendlichen, sodass die Kriminalisten ihn schließlich ausforschten.
Zwar musste der Bursche zunächst wieder freigelassen werden, als der Verdächtige dann aber eine Woche später zu dem Geschäft zurückkehrte, um dort der Polizei zufolge einen Drohbrief samt Patronenhülse deponierte, war endgültig klar, dass er involviert war.
25.000 Euro als "Friedensangebot"
In dem Schreiben wurde die Familie des Geschäftsmannes bedroht. Gefordert wurden 25.000 Euro. Am Ende des Drohbriefs - ein Smiley.
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Es folgte die Festnahme. Die Folgeermittlungen führten am 27. September schließlich zu einem 16-jährigen Tschetschenen: "Der Chef und Kopf der Bande", so Winkler. Einem gleich alten Österreicher, einem 18-jährigen Tschetschenen, der als Auftraggeber fungiert haben soll sowie einem 14-jährigen Landsmann, der für einen der Brandanschläge verantwortlich sein dürfte.
In einer koordinierten Aktion gemeinsam mit der Cobra wurden die Bandenmitglieder an ihren Wohnsitzen festgenommen. Wenig später konnten dann noch ein 15-jähriger Österreicher und ein 14-jähriger Türke identifiziert werden, die den Molotow-Cocktail laut derzeitigem Ermittlungsstand in das Geschäft geworfen haben.
Pullover mit Al-Quaida-Aufschrift sichergestellt
Bei Hausdurchsuchungen wurden Sturmhauben, eine Machete, Verpackungsmaterial für die Molow-Cocktails sowie bei einem der Tschetschenen ein Pullover mit Al-Quaida-Aufschrift gefunden. "Das LVT wurde über den Fund Pulli in Kenntnis gesetzt", informierte die mit dem Fall betraute Ermittlerin.
Dass ausgerechnet der Handyshop ausgewählt wurde, könne man sich momentan nur mit der geografischen Nähe zum Wohnort der jungen Männer erklären. "Weitere Fälle sind derzeit nicht bekannt, andere von Schultzgelderpressung betroffene Geschäftsleute sollen sich aber bitte melden", hieß es seitens Polizei.
Drei Verdächtige bereits wieder auf freiem Fuß
Die Beschuldigten dürften sich in Parks, der Schule und Krisenzentren kennengelernt haben. Sie sind teilweise geständig. Als Motiv nennen sie Geldmangel. Aufgrund ihres jungen Alters sind drei Bandenmitglieder auf freiem Fuß bzw. besuchen bereits wieder die Schule.
Dass ein scheinbar perspektivloses Leben ohne Ausbildung und Job solche Taten begünstigt, war schon immer so. Sie glauben, sie haben nichts zu verlieren.
Bei den älteren Verdächtigen handelt es sich mehrheitlich um Schulabbrecher, die keiner geregelten Arbeit nachgehen.
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"Wir haben in dieser Gruppe keinen Anstieg an Delikten. Dass ein scheinbar perspektivloses Leben ohne Ausbildung und Job solche Taten begünstigt, war schon immer so. Sie glauben, sie haben nichts zu verlieren", so die Kriminalistin, die an der Ausforschung der Tätergruppe beteiligt war.
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