Wenn die Kryptofalle zuschnappt: 30 Milliarden Verlust seit 2017

Mundpropaganda war es, die einen Kärntner dazu brachte, 10.000 Euro in die ehemalige Kryptoplattform EXW zu investieren. Geld, das der Mann nie wieder sehen wird. Die einstigen Betreiber stehen derzeit nämlich in einem Mega-Betrugsprozess in Klagenfurt vor Gericht. Sie sollen 40.000 Anleger hinters Licht geführt haben.
Und trotzdem meint der Investor, der um Tausende Euro erleichtert wurde: „Ich hatte Glück. Ich kenne andere, die ihre Altersvorsorge in dieses System gesteckt haben und nun wohl durch die Finger schauen.“
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Dass der Mann sich glücklich schätzt, überrascht nicht, geht es in dem Prozess doch um Schäden von bis zu 100 Millionen Euro. Und selbst dabei dürfte es sich nur um einen Tropfen auf den heißen Stein handeln.
Wie eine Wiener Studie des Complexity Science Hub (CSH) jetzt nämlich zeigt, gingen seit 2017 weltweit mindestens 30 Milliarden US-Dollar durch Krypto-Betrügereien verloren. „Es ist wichtig, zu betonen, dass wir von einer Mindestsumme sprechen“, erklärt Bernhard Haslhofer, der am CSH die Forschungsgruppe „Cryptofinance“ leitet. Die Wissenschafter haben erstmals alle global dokumentierten Straftaten im Kryptobereich zusammengetragen. Ausgewertet wurden 1.155 davon.
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Dass die Dunkelziffer höher ist, glaubt man auch bei der Finanzmarktaufsicht (FMA), wo der Schaden im Zusammenhang mit Kryptobetrug in Österreich von Jänner bis September mit durchschnittlich 42.000 Euro pro Fall beziffert wird. Dabei handle es sich jedoch nur um die angezeigten Fälle.
Viele Menschen würden aus Scham gar nie bei der Polizei vorstellig werden, heißt es seitens des Bundeskriminalamts. Auch dürften viele Betrogene zunächst nicht bemerken, dass sie Opfer Krimineller wurden.
Mensch stößt an Grenzen
Die Studie zeigt zudem die vielen Facetten des Kryptobetrugs. „Einerseits haben wir seriöse Anbieter, die das Investment ihrer Anleger durch technische Schwächen gefährden“, kritisiert Haslhofer.

Das sei etwa bei Hackerangriffen der Fall. Andererseits gebe es Anbieter, die wissentlich manipulierte Kryptowährungen handeln, um Menschen abzuzocken. „Da ist eine Hintertür eingebaut, durch die Täter Gelder abziehen.“ Mithilfe von Künstlicher Intelligenz wie ChatGPT könne mittlerweile fast jeder Kryptowährungen erstellen.
Letztlich sei es aber nicht so wichtig, ob Menschen mit Absicht um ihr Erspartes gebracht werden oder ein Systemversagen vorliegt, findet Studien-Co-Autorin Masarah-Cynthia Paquet-Clouston von der Universität Montreal. „Entscheidend ist, dass das Geld unwiederbringlich verloren ist und wir bei diesen komplex verschachtelten Finanzprodukten mit menschlichen Kapazitäten derzeit kaum Möglichkeiten haben, den Weg des Geldes zu verfolgen“, ergänzt Haslhofer.
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Aktuell zeigt das der Fall der US-Kryptohandelsplattform FTX. Deren Gründer Sam Bankman-Fried muss derzeit in New York vor Gericht erklären, wohin bis zu neun Milliarden Dollar verschwunden sind. Am CSH ist die aktuelle Studie deshalb der Startschuss für ein Projekt, das verschleierte Krypto-Zahlungsströme nachverfolgbar machen soll. In den kommenden zwei Jahren möchte das Wiener Forscherteam forensische Methoden entwickeln, um Kriminellen künftig das Handwerk zu legen.
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