Immerhin: Das über weite Strecken strenge Pandemie-Management brachte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) laut Umfragen viel Zuspruch in der Bevölkerung. Wenngleich rückblickend schwer feststellbar ist, ob der restriktive „Wiener Weg“ die Stadt tatsächlich besser durch die Pandemie gebracht hat. Erst kürzlich stellte etwa der Rechnungshof den Nutzen des groß angelegten, teuren Wiener Testprogramms „Alles gurgelt“ infrage.
Richtig ins strategische Dilemma geriet Ludwig aber erst mit der Teuerungskrise. Es gelang nicht wirklich, schlüssig zu erklären, warum die SPÖ auf Bundesebene von der Regierung mehr Maßnahmen gegen die Teuerung fordert, während in Wien die Gemeindebau-Mieten, vor allem aber die Energiepreise ungebremst in die Höhe schnellen. Hilfen in Form von Einmalzahlungen können diesen Widerspruch nur bedingt auflösen.
Außer Tritt
Schwer außer Tritt geriet Ludwig im vergangenen Sommer mit der Causa Wien Energie. Für die Öffentlichkeit völlig überraschend wurde bekannt, dass der städtische Energieversorger von Stadt und Bund Finanzhilfe in Milliardenhilfe benötigt. Die Causa handelte der Koalition eine U-Kommission ein und legte zumindest massive Schwächen im Krisenmanagement von Stadt und Stadtwerken frei.
Das lässt sich wohl auch über Ludwigs Agieren im endlosen SPÖ-Führungsstreit im Bund sagen. Statt (wie von vielen gefordert) als stärkster Landeschef moderierend und ausgleichend einzugreifen, ist Wiens SPÖ-Obmann aufgrund seiner Differenzen mit Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil längst selbst wesentlicher Teil des Konflikts geworden. Ludwig hielt bis zuletzt an Pamela Rendi-Wagner fest – unverständlich, sagen viele Genossen.
Die Auswirkungen reichen bis nach Wien: Die von Ludwig angekündigte eigene Halbzeitbilanz samt möglicher personeller Rochaden in der Stadtregierung lässt sich im Schatten des wohl noch länger tobenden Machtkampfs schwerlich umsetzen.
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Und die Neos? Als Juniorpartner mit gerade 7,5 Prozent haftet ihnen spätestens seit der Causa Wien Energie das Image des Beiwagerls der übermächtigen SPÖ an. Wie mittlerweile bekannt ist, wurde Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr damals erst nachträglich über den ersten Finanz-Zuschuss für das Unternehmen informiert.
Mit dem Bildungsressort hat Wiederkehr ein wichtiges, aber undankbares Ressort übernommen. Projekte dort (etwa Personal-Aufstockungen) lassen sich weit schwerer öffentlichkeitswirksam in Szene setzen als etwa die seinerzeitigen grünen Errungenschaften im Verkehrsressort. Zudem ist die Bildungspolitik stark vom Bund abhängig, weiters hat Wiederkehr rote Altlasten geerbt – allen voran in der Problembehörde MA 35 (Einwanderung).
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Immerhin bestand er eine nicht unwesentliche Kraftprobe mit dem Koalitionspartner: Die Ablöse der nach einem Missbrauchsverdacht untragbar gewordene Chefin der städtischen Kindergärten gegen den Willen der SPÖ. Mit Ausnahme solcher Episoden wird das innerkoalitionäre Verhältnis aber durchwegs als gut beschrieben.
Selbst sehen sich die Pinken vor allem beim Thema Klimaschutz als „Motor der Koalition“, der die in diesem Bereich eher zögerlichen SPÖ dazu gebracht hat, ambitionierte Projekte wie den Gas-Ausstieg bis 2040 anzugehen. Ob es dann noch einen Regierungsmonitor gibt, der den Abschluss dieses Projekts anzeigt, ist hingegen ungewiss.
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