Zu viel Gewinn für Private? Rechnungshof geht mit Wien hart ins Gericht

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Der Bericht ortet eine fehlende Distanz der Stadt zu Grundstückskäufern. Dies gefährde die Unabhängigkeit von Verfahren.

Zuletzt sorgen Umwidmungen in Kleingartenanlagen im Umfeld der SPÖ für Aufregung, ein vertraulicher Rohbericht des Bundesrechnungshofes (RH) zu Flächenwidmungen war bereits im August durchgesickert. Nun liegt der endgültige Bericht vor und er beinhaltet reichlich Kritik an den Grundstücksgeschäften der Stadt Wien.

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Geprüft wurden vom Rechnungshof neun Flächenwidmungsverfahren in den Jahren 2017 bis 2021. Damals waren die grünen Stadträtinnen Maria Vassilakou, Birgit Hebein und SPÖ-Stadträtin Ulli Sima (ab 2020) für das Planungsressort verantwortlich. Sieben der neun Verfahren wurden vertieft geprüft. Grundlegend bemängelt wird, dass die Raumordnung in Wien "durch die Sonderstellung Wiens als Land und Gemeinde keiner Kontrolle durch eine weitere Instanz" unterlegen sei. 

Zu viel Gewinn für Private? Rechnungshof geht mit Wien hart ins Gericht

Der Rechnungshof ortet eine fehlende Distanz der Stadt Wien zu Projektbetreibern und gewinnbringende Widmungsverfahren. 

Außerdem wurde eine zweifelhafte Nähe der Stadt bei der Erarbeitung der Grundlagen für die Festsetzung beziehungsweise Abänderung der Flächenwidmungs- und Bebauungspläne festgestellt. Es gebe eine enge Abstimmung der Stadt mit den Grundstückseigentümern und Projektentwicklern.

Enorme Wertsteigerungen nach Verkäufen durch die Stadt

Der Rechnungshof erkenne die Bemühungen der Stadt, für zukünftige Bauprojekte eine hohe Qualität erzielen zu wollen. Das große Aber: "Die Flächenwidmungs- und Bebauungsplanung ist eine hoheitliche Aufgabe. Abstimmungen und vertragliche Verhandlungen mit den Grundstückseigentümern und Projektentwicklern auf privatrechtlicher Basis sind davon klar zu trennen. Die enge Zusammenarbeit mit Projektentwicklern kann einer unabhängigen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanung zuwider laufen."

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Genauer unter die Lupe nahmen die Prüfer die Veräußerung einer Liegenschaft im 22. Bezirk, einst ein Marktplatz, für den eine Bausperre galt. 2010 verkaufte die Stadt die Liegenschaft um 261.400 Euro an die Wien Holding GmbH. Noch am selben Tag verkaufte diese wiederum die Fläche an ein Unternehmen – und zwar um 350.000 Euro.

Innerhalb eines Tages steigerte sich der Preis um rund ein Drittel. Die Stadt Wien war laut Prüfern sowohl über die Verkaufsabsichten der Wien Holding als auch über die Höhe des Kaufpreises informiert.

Die Stadt bewilligte in den darauffolgenden Jahren zwei höher geschoßige Gebäude und änderte den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan. Im Jahr 2012 wurde die Liegenschaft um 1,4 Millionen Euro und im Jahr 2018 um 7 Millionen Euro durch private Unternehmen weiterverkauft.

Obwohl man bei der Stadt annahm, dass es auf der Liegenschaft zu einer baulichen Nutzung kommen könnte, nahm die Stadt keine Nachzahlungsverpflichtung in den Kaufvertrag auf. Der Rechnungshof empfiehlt, zukünftige Wertsteigerungen, die unter anderem durch Widmungsänderungen entstehen, in Form von Kaufpreisnachzahlungen vertraglich abzusichern.

Ehemaliger Stadtrat an Unternehmen beteiligt

Unter die Lupe nahm der Rechnungshof auch eine Liegenschaft in Besitz der Stadt in der Dirmhirngasse im 23. Bezirk. Im Oktober 2016 suchte ein Unternehmen um Umwidmung von drei benachbarten Liegenschaften an. Verwirklicht werden sollte ein Bauprojekt.

Die zuständige Magistratsabteilung äußerte keine Absicht für eine Überarbeitung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplans. Dennoch begann sie nicht einmal ein Jahr nach dem Verkauf an das Unternehmen mit der Bearbeitung.

von Rechnungshof

Bericht "Flächenwidmungsverfahren der Stadt Wien"

Die Stadt gab 2017 eine gutachterliche Stellungnahme ab, wonach keine Überarbeitung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplans kurzfristig vorgesehen gewesen sei. Was naturgemäß den Verkaufspreis gesenkt habe. "Nicht einmal ein Jahr nach dem Verkauf begann sie dennoch mit der Bearbeitung des Flächenwidmungsplans", kritisierte der Rechnungshof.

Die vier Liegenschaften wechselten die Eigentümer, verkauft wurde an ein Unternehmen, an dem wiederum über zwei Unternehmen ein ehemaliger Stadtrat beteiligt war. Gemeint ist Ex-SPÖ-Bundeskanzler und Ex-Wohnbaustadtrat Werner Faymann.

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Keine klare Regeln für Reduzierung von Parkplätzen

Bemängelt wird auch die fehlende Reduzierung von Parkplätzen über das Stellplatzregulativ: Dieses ermöglicht die gesetzliche Stellplatzverpflichtung bei neu errichteten Wohnungen in gut erschlossenen Gebieten zu reduzieren. In vier Fällen sah die MA 21 kein Regulativ vor und das obwohl es sich laut Rechnungshof um städtische Gebiete handelte, die mit den Öffis gut erreichbar waren.

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Auch sei die uneinheitliche Anwendung der Stellplatzregulative teilweise nicht nachvollziehbar. Empfohlen wird "klare, nachvollziehbare und einheitlich anwendbare Regeln" zu schaffen.

Luftaufnahme mit Rendering der geplanten Gestaltung

Für das künftige Gelände am Nordwestbahnhofs ist beispielsweise kein Stellplatzregulativ vorgesehen – trotz bester Öffi-Anbindung durch U6, S-Bahn und Bim.

Kritik gibt es auch an dem Fachkonzept Hochhäuser: Für zukünftige Hochhausstandorte und deren Ausgestaltung gebe es wenig bindende Anforderungen sowie keine nennenswerten Einschränkungen. "Daher sollten konkret geforderte Qualitäten und quantitative Mindest- beziehungsweise Maximalvorgaben in das Fachkonzept aufgenommen werden", so die Empfehlung.

Bau der "Sport & Fun Halle" ohne gültige Flächenwidmung

Thema der Prüfung ist auch die "Sport & Fun Halle Praterstern". Die im Eigentum der Stadt Wien stehende WIP Wiener Infrastruktur Projekt GmbH suchte im April 2022 um eine befristete Bewilligung für die Errichtung der Halle an. Gewidmet als „Grünland – Erholungsgebiet, Sport- und Spielplätze“, lagen 94 Prozent der Halle in einem Bereich, in dem keine Gebäude errichtet werden durften.

Zu viel Gewinn für Private? Rechnungshof geht mit Wien hart ins Gericht

Visualisierung der Sport & Fun Halle

Der Rechnungshof kritisiert, dass die Baupolizei in Abstimmung mit der Magistratsdirektion und der MA 21 für ein auf Dauer ausgelegtes Gebäude dennoch eine befristete Baubewilligung erteilte. Insbesondere stadteigene Projekte wären nur auf Basis gültiger Flächenwidmungs- und Bebauungspläne zu bewilligen.

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Die Vorgehensweise weise außerdem ein finanzielles Risiko auf, hängt doch der dauerhafte Bestand des Gebäudes unter anderem von der Zustimmung eines künftigen Gemeinderats ab. Zudem führe die Versiegelung von Grünflächen auch laut dem Stadtentwicklungsplan STEP 2025 zu einer zusätzlichen Erwärmung der Stadt.

Die offiziellen Angaben der Stadt Wien zum Grünraumanteil werden ebenfalls hinterfragt. Wie die Stadt Wien festhält, seien über 50 Prozent der Gesamtfläche Wiens Grünflächen. Beim Grünraummonitoring mittels Infrarotaufnahmen aus der Luft werden aber auch Baumkronen - unabhängig davon, wie der Boden unter den Baumkronen aussieht - sowie begrünte Dachflächen einberechnet.

Opposition ortet "schallende Ohrfeige" und Freunderlwirtschaft

Eine "schallende Ohrfeige" für das Vorgehen bei der Sporthalle ist der Bericht für den stellvertretenden Bezirksvorsteher in der Leopoldstadt, Bernhard Seitz: "Der Rechnungshof bestätigt, was wir schon von Anfang an gesagt haben: Es hätte dort einfach nichts gebaut werden dürfen. Einzelne SPÖ-Politiker haben hier einfach auf die Rechtslage gepfiffen. So etwas darf einfach nicht mehr passieren."

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Georg Prack, Wohnsprecher der Grünen, fordert den Verkauf von städtischen Grundstücken zu stoppen. Stattdessen schlägt man vor, Grundstücke im Eigentum der Stadt zu belassen und die Möglichkeit eines zum Beispiel auf 100 Jahre befristeten Bebauungsrechtes zu vergeben. "Was der Verkauf von Kleingärten im Kleinen ist, ist der Verkauf von öffentlichen Grundstücken im Großen. Wir sollten an die Zukunft unserer Kinder denken und müssen die Privatisierung städtischer Grundstücke stoppen.“

"Intransparenz, Chaos und Freunderlwirtschaft" attestiert ÖVP-Planungssprecherin Elisabeth Olischar der Wiener Planungsressort: "Die Stadtregierung muss endlich tätig werden und eine umfassende Reform der Planungspolitik initiieren."

FPÖ-Chef Dominik Nepp will eine Aufklärung der Widmungen durch die Justiz: „Nach dieser vernichtenden Kritik des Rechnungshofes an den Vorgängen müsste eigentlich die Justiz tätig werden und die damals verantwortlichen Planungsstadträtinnen sowie andere involvierte Personen befragen. Außerdem ist es unwahrscheinlich, dass Bürgermeister Ludwig davon nichts gewusst hat.“

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