Parkpickerl-Bilanz: Was die Ausweitung in Wien gebracht hat
Nach all den Aufregungen der vergangenen Monate ist ein Thema ein wenig in den Hintergrund gerückt, dass in Wien traditionell Potenzial für höchste Erregung hat: das Parken.
Vor genau einem Jahr, am 1. März 2022, wurde die Parkraumbewirtschaftung auf die bisher vier noch parkpickerlfreien Bezirke Hietzing, Floridsdorf, Donaustadt und Liesing ausgeweitet. Verbunden mit dem üblichen Getöse der autofahrerfreundlichen Parteien im Rathaus. Danach wurde es bald wieder ruhig.
Von einer „vollen Erfolgsstory“ spricht nun die rot-pinke Stadtregierung anlässlich des ersten Geburtstags der Ausweitung. Der KURIER hat sich im Detail angesehen, was sich in den zwölf Monaten nach der Ausweitung getan hat.
Wie hat sich die Parkplatzauslastung in den betroffenen vier Bezirken verändert?
Die Stadt hat mittlerweile eine Evaluierung in den vier Bezirken durchgeführt (Details siehe rechts). Das Problem dabei: Die Erhebung erfolgte nicht einheitlich (etwa bezüglich der Auslastung an bestimmten Tageszeiten), was den Vergleich zwischen den Bezirken erschwert. Als bezirksübergreifendes Highlight streicht die Stadt die Gegend rund um den Bahnhof Strebersdorf (Floridsdorf) hervor: Dort sank die Auslastung der Stellplätze von 98,1 auf 29,6 Prozent.
Für die ÖVP ist die Evaluierung zu intransparent: „Wir wollen wissen, wie und von wem die Studie durchgeführt wurde“, sagt Verkehrssprecherin Elisabeth Olischar.
Hat sich der Pkw-Pendlerverkehr verändert?
Das ist umstritten: Laut Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) habe er sich „deutlich reduziert“. Dem widerspricht Matthias Nagler vom ÖAMTC: „Die wenigsten Pendler haben ihr Mobilitätsverhalten nennenswert geändert. Die meisten stehen laut Umfragen in Wiener Garagen.“
Hietzing
Parkplatz-Auslastung: Abends ging sie in den untersuchten Gebieten von 77,5 auf 61,3 Prozent zurück. Ober St. Veit weist sogar ein Minus von 28 Prozent auf.
Nichtwiener Kennzeichen: Ihr Anteil sank von 20 auf vier Prozent.
Gestaltung neuer Freiflächen: Die Altgasse im Zentrum des Bezirks soll auf Basis einer Bürgerbeteiligung neu gestaltet werden, ähnliches ist für den Lainzer Platz geplant.
Floridsdorf
Parkplatz-Auslastung: Abends sank sie in den Erhebungsgebieten von 74,9 auf 63,8 Prozent. Am Morgen von 71,7 auf 52,7 Prozent. Beim Bahnhof Strebersdorf sank die Auslastung um 68,5 Prozent
Nichtwiener Kennzeichen: Der Anteil sank von 20,3 auf 7,5 Prozent.
Gestaltung neuer Freiflächen: Neugestaltung der Schleifgasse und der Anton-Böck-Straße mit breiteren Gehsteigen, mehr Bäumen und Begrünung.
Donaustadt
Parkplatz-Auslastung: Sie fiel laut den Erhebungen der Stadt in den untersuchten Gebieten vormittags von 76,1 auf 62,3 Prozent. Hotspot ist die Industriestraße / Lange Allee mit einem Minus von 53 Prozent.
Nichtwiener Kennzeichen: Ihr Anteil sank von mehr als 20 auf 6,2 Prozent.
Gestaltung neuer Freiflächen: Der Bezirk verweist auf den Ausbau des Radweg-Netzes, der bereits im Gange sei. Er umfasst mehr als 16 Kilometer.
Liesing
Parkplatz-Auslastung: Sie ging am Vormittag von 76,1 auf 58,2 Prozent zurück, zeigt die Untersuchung der Stadt Wien. Spitzenreiter ist Siebenhirten mit einem Rückgang von mehr als 40 Prozent.
Nichtwiener Kennzeichen: In Liesing war der Rückgang besonders stark: Der Anteil sank von 37 auf vier Prozent.
Gestaltung neuer Freiflächen: Es wurde ein partizipativer Prozess eingeleitet, auch das Radwegnetz wird neu geplant.
Gibt es auch negative Auswirkungen?
Eine „Garagenflucht“ ortet Kilian Stark von den Grünen: „Anwohner mit Parkpickerl stehen jetzt auf frei gewordenen Flächen und die Garagenplätze werden von Hausverwaltungen billig an Pendler vermietet.“
Laut ÖAMTC gebe es massive Beschwerden von Ausflüglern wegen der erschwerten Parksituation bei Freizeitgebieten wie der Donauinsel oder dem Wiener Wald.
Ein weiteres Problem ortet FPÖ-Verkehrssprecher Toni Mahdalik: „In Gassen ohne Gehsteige haben Anrainer jahrzehntelang auf Grün- und Schotterstreifen geparkt. Jetzt werden die Menschen dafür gnadenlos abgestraft.“
Wie viele zusätzliche Personen haben mit der Ausweitung ein Parkpickerl beantragt?
Laut Büro Sima sind in den Erweiterungsgebieten aktuell rund 145.000 Parkpickerl gültig. Wien-weit sind es 395.000.
Wie hoch sind die Mehreinnahmen der Stadt durch die Ausweitung?
Mit der Ausweitung wurde das parkraumbewirtschaftete Gebiet verdoppelt. Was das finanziell bedeutet, stehe erst mit dem Rechnungsabschluss für 2022 im Juni fest, betont eine Sprecherin von Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ).
Zur Veranschaulichung die jüngsten verfügbaren Zahlen: 2021 beliefen sich die Einnahmen aus der Parkometerabgabe auf rund 117 Millionen Euro, im Jahr davor waren es rund 112 Millionen Euro. In diesen Zahlen sind auch die Einnahmen aus Parkscheinen inkludiert. „Die Einnahmen sind zweckgebunden für Investitionen im Verkehrsbereich“, betont man im Hanke-Büro.
Die aktuellen Kosten von zehn Euro pro Monat sind den Initiatoren einer Petition zu niedrig: „Öffentlicher Raum darf nicht mehr verramscht, klimaschädliches Verhalten nicht mehr subventioniert werden“, betonen sie.
Was passiert mit den Flächen, die durch die nicht mehr benötigten Parkplätze anfallen?
Der gewonnene Platz stehe für viele Nutzungsmöglichkeiten offen, heißt es seitens der Stadt. Beispiel Floridsdorf: Dort sei unter anderem die umfassende, „klimafitte“ Neugestaltung der Anton-Böck-Straße geplant. Sie bekommt breitere Gehsteige, neue Bäume und großzügige Grünflächen, um das Mikroklima zu verbessern. In der benachbarten Donaustadt verweist man auf die „größte Rad-Offensive in der Geschichte des Bezirks“, mit mehr als 16 Kilometern an neuen Verbindungen.
Den Grünen reichen solche Ankündigungen der Stadt und der Bezirke nicht: „Durch die Ausweitung des Parkpickerls wurden rund 70.000 Autoabstellplätze nicht mehr gebraucht. Passiert ist mit diesen Flächen leider bisher nichts“, kritisiert Stark.
Wie sind die Auswirkungen auf Niederösterreich?
Mit dem Parkpickerl sahen sich auch die Gemeinden im Wiener Umland gezwungen, Maßnahmen zu ergreifen. Es wurden – sofern nicht schon vorhanden – Kurzparkzonen eingerichtet. Auch das Land NÖ griff ein, immerhin sind durch die Ausweitung des Parkpickerls rund 20.000 Niederösterreicher betroffen. Das öffentliche Verkehrsangebot wurde ausgebaut und mehr Stellplätze in den P&R-Anlagen geschaffen.
In letzter Konsequenz wirkte sich das Wiener Parkpickerl auch auf die Landtagswahlen aus, bei denen Zweitwohnsitzer erstmals nicht stimmberechtigt waren. Das betraf auch „Parkpickerl-Flüchtlinge“, die einen Hauptwohnsitz bei Freunden oder der Familie in Wien angemeldet haben.
Kommentare