Vier Schilling pro Stunde
Dahingehende Bemühungen und Debatten begannen zu einer Zeit, als ein eigenes Auto vielerorts noch ein Luxusgut war. 1959 wurden erste Straßen im 1. Bezirk zu damals noch gebührenfreien Kurzparkzonen erklärt. Weitere in anderen Bezirken folgten in den kommenden Jahren.
1975 wurden Wiens Kurzparkzonen schließlich gebührenpflichtig: Vier Schilling (umgerechnet 29 Cent) zahlte man damals für eine Stunde Parken.
Lange sollte es nicht dauern, bis schließlich ein ganzer Bezirk zur Kurzparkzone erklärt wurde. In der Inneren Stadt geschah dies am 1. Juli 1993. Das war die Geburtsstunde für das Parkpickerl: Es wurde für die Bezirksbewohner als eine Art Ausnahmegenehmigung geschaffen.
Beschlossen wurde die Parkraumbewirtschaftung von SPÖ und Grünen, ÖVP und FPÖ waren dagegen. Eine Frontstellung, an der sich bis dato nichts geändert hat.
164,5 Millionen Euro Einnahmen
„Parkpickerl ist ein voller Erfolg – auch finanziell“, zog der KURIER kurz nach der Einführung eine erste Zwischenbilanz.
Bis heute ist die Parkraumbewirtschaftung eine lukrative Einnahmequelle für die Stadt: Im Jahr 2019 – also noch vor der Zeit der Lockdowns – verbuchte man im Rathaus für diesen Posten 123 Millionen Euro.
Für heuer werden Einnahmen von 165,4 Millionen Euro erwartet. Mit ein Grund für den Anstieg: die bevorstehende Ausweitung.
Der Versuch im 1. Bezirk war der Start einer Kettenreaktion: Bis 1999 wurden alle Innenstadt-Bezirke zu Kurzparkzonen. Mit dem Eintritt der Grünen in die Stadtregierung gewann das Thema dann neue Dynamik.
Am 1. Oktober 2012 wurde das Parkpickerl auf Teile der Bezirke 12, 14, 16 und 17 sowie den gesamten 15. Bezirk ausgedehnt. Bald danach verschoben die Bezirke 14, 16 und 17 die Grenze der Kurzparkzone noch ein Stück weiter stadtauswärts.
Erbitterte Grabenkämpfe
Die Ausweitung war von erbitterten politischen Grabenkämpfen begleitet. Häufige Argumente der Gegner schon damals: Das Pickerl würde einzelne Berufsgruppen – etwa Ärzte und Lehrer – massiv benachteiligen, habe keinen Lenkungseffekt und sei bloß eine „Abzocke“.
Die ÖVP setzte die Regierung gehörig unter Druck, als sie mehr als 100.000 Unterschriften für die Abhaltung einer Volksbefragung über eine weitere Parkpickerl-Ausweitung sammelte. Aus rechtlichen Gründen wurde dies aber abgelehnt.
Stattdessen inszenierte Rot-Grün Anfang 2013 eine eigene Befragung zu vier Themen. Darunter auch die Frage, ob es für ganz Wien ein Parkkonzept geben soll, oder die einzelnen Bezirke darüber entscheiden sollen. Fast 63 Prozent sprachen sich für Letzteres aus – zum Missfallen von Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne).
Der Konflikt verlagerte sich danach auf lokale Schauplätze. Etwa Währing, das trotz zweier ablehnender Befragungen 2016 das Pickerl bekam. Darauf folgten – nach teils erheblichen Querelen – Favoriten, Döbling und das Zentrum Simmerings.
Hoffen auf Ausnahmen
Damit wurde die Notwendigkeit einer wienweiten Lösung immer drängender. Denn die verbliebenen pickerlfreien Bezirke litten zusehends unter der Verdrängung des Pendlerverkehrs in ihr Gebiet. 2020 kündigte die damalige Verkehrsstadträtin Birgit Hebein (Grüne) schließlich ein einheitliches Modell an.
Umgesetzt wird dieses Vorhaben nun von ihrer Nachfolgerin Ulli Sima (SPÖ), die im Frühjahr 2021 ein Konzept vorlegte.
Sie sieht sich mit vielerlei Begehrlichkeiten konfrontiert: In den vergangenen Wochen wurden laute Rufe nach mehr pickerlfreien Sonderzonen laut. Das leise Hoffen darauf, dass diese erhört werden, könnte auch der Grund für das Zuwarten auf den letzten Drücker bei den Anträgen sein.
Derzeit sieht es aber nicht danach aus, dass diese Strategie von Erfolg gekrönt sein wird. Sima hat klar gemacht, dass sie möglichst wenige Ausnahmen will, um einen möglichst großen Lenkungseffekt zu erzielen.
Die Stadt hat sich jedenfalls auf Uneinsichtige vorbereitet: Um die neuen Gebiete zu überwachen, wurden 250 neue Parksheriffs eingestellt.
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