Neue Studie: Warum sich Flaniermeilen wirtschaftlich rentieren
Reine Geldverschwendung. Sinnlose Behübschung. Bloß ein Denkmal für die Politiker. So oder so ähnlich lauten die negativen Reaktionen, wenn in Wien Einkaufsstraßen umgebaut werden.
Sei es die Neulerchenfelder Straße in Ottakring, die gerade breitere Gehsteige bekommen hat. Oder die Rotenturmstraße in der Innenstadt, die in einem Monat als Begegnungszone eröffnet wird. Oder das Paradebeispiel Mariahilfer Straße, die seit 2013 nahezu autofrei ist.
Die Befürworter versprechen sich von solchen Umgestaltungen oder Sanierungen dagegen mehr Passanten, die sich länger in der Straße aufhalten. Und natürlich fleißig einkaufen – wodurch sich die Investitionen letztlich rechnen. Eine neue Untersuchung zeigt nun, dass diese Stimmen Recht haben dürften.
Durchführen lassen hat die Studie nicht etwa das rot-grün regierte Rathaus. Sondern Standortanwalt Alexander Biach, der von der Wiener Wirtschaftskammer bestellt wurde. Und die war in der Vergangenheit oft ein lautstarker Kritiker von verkehrsberuhigten Geschäftsstraßen.
Konkret ließ Biach berechnen, wie sich die bereits abgeschlossene Neugestaltung von Stephansplatz und Herrengasse wirtschaftlich ausgewirkt hat und welchen Nutzen die Arbeiten an Rotenturmstraße, Schweden- und Michaelerplatz haben werden.
Das Ergebnis: Schön während der Bauphase fließen zwei Drittel der Investitionen wieder in die Rathauskasse zurück – und zwar in Form von Steuern und Abgaben.
Für die fünf Projekte in der Innenstadt fallen zusammen 35 Millionen Euro Baukosten an – mindestens 20 Millionen tragen Stadt und Bezirk. In Wien generieren die Arbeiten 277 Vollzeitjobs.
Frequenzbringer
Einkaufsstraßen umzubauen, zahlt sich auch langfristig aus. Der Grund: Fertig sanierte oder umgestaltete Shoppingmeilen werden stärker besucht. Davon profitiert die Unternehmerschaft – und in weiterer Folge auch die öffentliche Hand.
Zuerst zu den Geschäftsinhabern: Wie die Studie auf Basis von Zahlen aus dem Jahr 2014 zeigt, hängen Frequenz und Umsatz direkt zusammen. So manche Kaufleute auf der Mariahilfer Straße wird das überraschen: Die Straße sei zwar voller Passanten, aber die Geschäfte leer, monieren einige seit der Umgestaltung in eine Fußgänger- und Begegnungszone immer wieder.
Konkret bringt jeder Passant auf den Wiener Einkaufsstraßen rund 27 Euro Extra-Umsatz. Auf der Mariahilfer Straße sind es mit 87 Euro pro Passant drei Mal so viel. Dass dürfte daran liegen, dass die „Mahü“ mit ihrem „besonders breiten Angebot zu Shopping-Touren einlädt“ und „Kunden daher in mehreren Geschäften einkaufen“, ist in dem Papier zu lesen.
Der gesteigerte Umsatz entspricht im Wesentlichen der dauerhaften Wertschöpfung, die ein Umbau generiert. Diese beläuft sich im Fall der fünf Projekte im ersten Bezirk jährlich auf 9,1 Millionen Euro.
4,8 Millionen Steuern
Und hier kommt die öffentliche Hand ins Spiel: In der Betriebsphase generiert sie durch Steuern und Abgaben pro Jahr Rückflüsse von 4,8 Millionen Euro. Zusätzlich bleiben 122 Vollzeitjobs dauerhaft erhalten.
Bedeutet das also, dass die Stadt Fußgänger- und Begegnungszonen noch stärker forcieren sollte? „Die Innenstadt wurde in Richtung einer mediterranen, ebenerdigen und gleichberechtigten Stadt umgebaut“, sagt Standortanwalt Biach. „Das kann – wo es baulich möglich ist – ein gutes Vorbild sein.“
Um die wirtschaftlichen Effekte sanierter Geschäftsstraßen voll nutzen zu können, empfiehlt er der Stadt, eine jährliche Grätzelmillion pro Bezirk für derartige Projekte zu schaffen. Und wenn sich der Bezirksvorsteher quer legt – wie des Öfteren Innenstadt-Chef Markus Figl (ÖVP) beim Schwedenplatz?
„Es geht nur, wenn man alle einbindet“, sagt Biach.
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