"Die Fuzo hat nichts geändert"
Die Tische bei Brandauers am Dach des Gerngross sind am frühen Abend gut gefüllt. Bei einem Bier wird auch hier über die Mariahilfer Straße diskutiert. "Ich finde die Idee der Fußgängerzone geil", sagt Christian Waglechner – laut Eigendefinition ein "Tiefroter". Daneben Uwe – "ein Tiefschwarzer". Enge Freunde sind sie trotzdem.
Kritiker monieren, die Mariahilfer Straße wäre nach Geschäftsschluss menschenleer. Die FPÖ spricht gar von einem Angst-Raum. Doch ist die Lokal-Szene tatsächlich angeschlagen? "Aber geh. Hier sind nicht weniger Leut’ unterwegs", meint Uwe. Dennoch: "Ich finde, man hätte die Geschäftsleute mehr miteinbeziehen müssen." In einem sind sich die Freunde einig: "Es wurde schlecht kommuniziert und organisiert."
"Es hat sich mit Einführung der Fußgängerzone überhaupt nichts geändert", findet auch Alain Asso, Inhaber des LeTroquet. Sein Lokal ist abends voll wie eh und je. Die einfache Erklärung: "Ich habe keine Gäste, die mit dem Auto kommen." Hier trifft sich jene junge hippe Szene, auf die die Grünen bei der Befragung hoffen.
Finn ist Stammgast. Der 23-Jährige ist aus Kiel nach Neubau gezogen, als EU-Bürger wäre er stimmberechtigt. Wäre. "Ich habe die Formulare in den Müll geworfen", sagt Finn. Abzustimmen ist ihm zu viel Aufwand. Die Verkehrsberuhigung finde er aber gut.
Eher pro Fuzo ist die Stimmung auch im Europa in der Zollergasse. Claudia Kinzl kann zwar nicht mitstimmen, weil sie in der Äußeren Mariahilfer Straße wohnt. Die Fußgängerzone sei aber toll, "ich war hier auch schon Joggen – früher wäre das nie möglich gewesen."
Nach Geschäftsschluss
Am späteren Abend sind die In-Lokale immer noch gut besucht. Der Stammkunden-Anteil ist groß. Wie etwa im Kultbeisl Blue Box in der Richtergasse. Inhaber Bülent Öztoplu verspürt ob der neuen "Mahü" keine wirtschaftliche Last. "Unsere Gäste sind überwiegend zu Fuß oder mit dem Rad da."
Ähnlich gelassen bleibt man im Tanzcafé Jenseits in der Nelkengasse. Auch dort habe sich die Situation eingependelt, berichtet Barkeeper Gernot Mosshammer. "Nur am Anfang waren die Gäste verunsichert, wie sie jetzt mit dem Taxi wegkommen. Früher mussten sie sich ja bloß auf die Mariahilfer Straße stellen und den Daumen hoch halten." Jetzt gibt es einen Taxistand ums Eck.
Kaum Unterschied zur alten Mariahilfer Straße merkt auch Fatih Kuzu. Der Chef des Café Cosmopolitan in der Schottenfeldgasse ärgert sich bloß über den Parkplatzmangel vor der Tür. Das Afterwork-Geschäft in den Seitengassen sei aber nicht gefährdet.
Seine Gäste sind sich punkto Verkehrsberuhigung allerdings nicht ganz einig. Auf Anrainer Lazhar Nafati wirkt das Grätzel jetzt "wie ausgestorben", die leere Straße sei geradezu beängstigend. Tischnachbarin Sylvia Mock dagegen findet, dass die Mariahilfer Straße auch früher keine klassische Fortgehmeile war. "Es war hier immer schon so ruhig."
Gähnend leer ist abends das Café Gloria in der Otto-Bauer-Gasse. "Uns steht das Wasser bis zum Hals", klagt Geschäftsführerin Karin Heinisch. "Wir spüren, dass die Shopping-Touristen aus den Bundes- und Nachbarländern ausbleiben."
Obwohl durch die Umgestaltung der Mariahilfer Straße Hunderte Parkplätze wegfielen, gehen die Umsätze der Garagenbetreiber zurück.
In der Parkgarage in der Zieglergasse etwa kämen pro Monat bis zu 10.000 Euro weniger herein, erzählte deren Betreiber Michael Elbl in der ORF-Sendung "Wien heute".
Gründe für die geringe Auslastung sieht der Unternehmer in irreführenden Hinweistafeln und fehlenden Querungen. Weniger ortskundige Autofahrer hätten Probleme, die Garagen zu finden. Zudem kämen viele Bürger von vorn herein gar nicht mehr mit dem Auto.
Auf ORF.at hält Thomas Blimlinger, Bezirkschef von Neubau, dagegen: Anrainer, die früher Garagen nützten, fänden jetzt leichter Parkplätze auf der Straße.
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