Wiener "Platzangst"
Moderne gelungene Plätze gibt es nur wenige
Gibt es in Österreich eigentlich noch ein Thema außer der Hypo? Ach ja, irgendwann einmal haben wir alle über die Mariahilfer Straße diskutiert. Nicht weil es irgendeine stadtpolitische Bedeutung hätte, sondern weil es die Grünen sinnloserweise zur Fahnenfrage erklärt haben.
Hoffen wir, dass die grüne Wiener Planungsstadträtin Vassilakou nach Ende der Volksbefragung ihren Blick endlich wieder aus "Bobostan" hebt. Es gäbe durchaus noch andere Stadtteile, die viel dringender der Belebung harren. Oder sind jetzt alle verfügbaren Millionen verpulvert?
Die Wiener Stadtplaner haben schon seit Jahrzehnten, lange vor den Grünen, ein "Platzproblem": Entweder es gibt Desinteresse (Liesinger Platz), Fehlplanung (Schwarzenbergplatz), völlige Geschmacksverirrung (Prater-Vorplatz) oder Ratlosigkeit wie beim Südtirolerplatz vor dem neuen Hauptbahnhof. Über dessen Behübschung macht sich die Stadt jetzt ein wenig Gedanken, nachdem die Verkehrsbauten fast fertig sind.
Gelungene WU
Moderne gelungene Plätze gibt es nur wenige: Dazu zählen das Wiener MuseumsQuartier und die brandneue WU am Rande des Praters. Wer sie noch nicht gesehen hat: unbedingt besichtigen! Sie ist nicht die übliche, viel zu verdichtete öde Bauträgerarchitektur, sondern eine luftige Mischung aus spannenden Gebäuden von internationalem Format, wie man sie in Wien sonst nie sieht. Plus genügend Relax- und Durchgangszonen, die sich auch für Passanten öffnen. Beneidenswert, wer in so einer inspirierenden Umgebung arbeiten und studieren darf. Wenn das Sein das Bewusstsein prägt, müsste hier Außergewöhnliches entstehen.
Wie schade, dass das nicht Regel, sondern absolute Ausnahme ist. Die Chance eines Media Quartiers wurde skandalös vertan – mit U-Bahn-Anschluss und ohne dubiose Kasachen-Beteiligung hätte es vielleicht funktionieren können.
Beim rasch wachsenden Wiener Zentralbahnhof fehlt interessante Architektur, gute öffentliche Verkehrsanbindung und ein großzügiger Platz, der zu einer Art Museumsinsel (Belvedere, 21er-Haus, Heeresgeschichtliches Museum im Arsenal oder gar ein Museum der österreichischen Geschichte) verschmelzen und die Bezirke drei, vier und zehn verbinden hätte können, statt sie voneinander noch mehr abzuriegeln.
Genau hier hätte eine Begegnungszone Sinn gemacht, die man nun krampfhaft auf einem Teilstück der bis vor Kurzem relativ klaglos funktionierenden Mariahilfer Straße installieren möchte. Dafür hätte der Gürtelverkehr vor der Bahnhofshalle – und nicht kurz vor der Autobahnauffahrt – untertunnelt werden können.
Das nächste größere Stadtbauprojekt ist übrigens der heikle Platz hinter dem Konzerthaus beim Eislaufverein. Geplant ist ein alle Höhengrenzen des ersten Bezirks sprengender Turm. Das kann an diesem besonders sensiblen Punkt der City zum Vorzeigemodell oder zum Desaster werden.
Liebe Frau Planungsstadträtin, es ist Zeit, sich neuen stadtpolitischen Themen zuzuwenden. Der Investor hat Ihre Mariahilfer-Straßen-Idee übrigens gelobt. Wahrscheinlich eine gute Voraussetzung, um seine hochfliegenden Pläne verwirklichen zu dürfen.
Kommentare