Habseligkeiten von Unterstandslosen entsorgt

Friedrich M. schilderte am Donnerstag vor dem Richter den Einsatz, im Oktober 2013 wurde er aus dem Stadtpark vertrieben (Bild)
Verwaltungsgericht prüft, ob die Wegweisung von Obdachlosen im Stadtpark rechtswidrig war.

Zwei Jahre lang nächtigte eine kleine Gruppe von Unterstandslosen auf Bänken im Wiener Stadtpark. Tagsüber kamen die Kinder vom nahen Kindergarten und sangen den Clochards etwas vor. Ein Rechtsanwalt aus der Wollzeile schaute mit Mutter und Hund auf ein Plauscherl vorbei. Eine Anrainerin schenkte den Unterstandslosen einen neuen Schlafsack. „Wir haben keinen Mist gemacht, niemanden angebettelt, und mit den Polizisten hatten wir auch nie Probleme“, erzählt Friedrich M.

Zeltstadt

Am 15. Oktober 2013 entdeckte jemand bei der Behörde die Campierverordnung (auf öffentlichen Plätzen ist das Auflegen von Schlafsäcken verboten) und ließ das goldene Wiener Herz sprechen: Zehn Polizisten stürmten am Abend den Stadtpark (Friedrich M. erinnert sich: „Jetzt wird’s krass“), schossen Fotos, der Kommandant befand: „Das ist eine Zeltstadt“ und ließ diese räumen. „Packt’s eure Sachen und verschwindet’s“, wurden die Unterstandslosen angeherrscht: „Was ihr tragen könnt’s, ist gut, was nicht, wird entsorgt.“ Schon kam die Müllabfuhr, und mit einer Schaufel wurden die unter den Parkbänken gelagerten Taschen und Säcke mit den Habseligkeiten (samt neuem Schlafsack) auf den mit Restmüll beladenen Mistwagen gepackt.

Im Verwaltungsgericht Wien prüfte Richter Wolfgang Helm am Donnerstag, ob die Wegweisung der Obdachlosen und die Entsorgung ihres Eigentums rechtswidrig war. Zunächst wurde mit den Juristen der Polizei und der MA 48 diskutiert, ob es sich um Straßenkehricht oder Abfall oder weder noch gehandelt hat. „Hätte man in die Säcke hinein geschaut, hätte man gesehen, dass das kein Restmüll war. Das war mein Sommergewand, mein Wintergewand, meine Schuhe, eine Armbanduhr, meine Sachen eben“, sagt Friedrich M. Er war damals verletzt, musste auf Krücken gehen, konnte nichts selbst tragen, aber das habe niemanden gekümmert. Seine Kollegen seien sogar angehalten worden, bei der Entsorgung zu helfen, sonst drohe ihnen eine Anzeige.

Als er beim Zusammenraffen seiner wichtigsten Sachen auf nassem Laub ausgerutscht sei, hätten die Beamten nur zugeschaut. Zwei Touristinnen hätten ihm aufgeholfen. Welch prächtige Fremdenverkehrswerbung für Wien.

Ein Vertreter der Polizei bestritt die Wegweisung: Das Sitzen auf den Bänken sei ja nicht verboten. Und der Vertreter der MA 48 argumentierte, man sei zufällig involviert worden. Im Park sei prinzipiell das Stadtgartenamt zuständig, aber man sei ja „flexibel“, und „der Verschmutzungsgrad“ sei dort „ein Wahnsinn“ gewesen.

Die Beschwerden der Obdachlosen wurden nach mehrstündiger Verhandlung als unbegründet abgewiesen. Unter anderem führte der Vorsitzende ins Treffen, dass die Exekutive keine Wegweisung vorgenommen habe - da die Betroffenen danach noch im Stadtpark bleiben konnten.

Kardinal Christoph Schönborn überzeugte sich am Mittwoch gemeinsam mit der zuständigen Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ) vom kundenfreundlichen Service der MA 48. Abseits der Medienöffentlichkeit hatte sich die Müllabfuhr zuletzt hingegen äußerst unsensibel gegenüber Unterstandslosen gezeigt, als sie deren Habseligkeiten entsorgte. Mit harten Bandagen kämpft Sima aber auch an weiteren Fronten: Seit Jahren versucht sie, den Generalpächter der Copa Cagrana loszuwerden, der die Gastro-Meile verrotten lässt. Weder jahrelange Gerichtsverfahren noch behördliche Räumungen und Abrissaktionen, zu denen eigens die Medien vor Ort eingeladen wurden, konnten bisher den Pächter zur Aufgabe zwingen.

Auch in anderen Zuständigkeitsbereichen der Stadträtin ist derzeit nicht alles eitel Wonne: So kritisierte zuletzt der Stadtrechnungshof die Verschrottung eines Mäh-Bootes, das 1995 um 2,3 Millionen Euro angeschafft, aber nie benutzt wurde. Doch auch in den städtischen Wasserspielplätzen fanden die Prüfer zahlreiche Missstände: Auf der Donauinsel droht den spielenden Kindern Verletzungsgefahr wegen mangelhaft gesicherter Schächte.

Hygienemängel

Der Wasserspielplatz Max-Winter-Park wiederum weist gravierende Hygienemängel auf. Der dort aufgestellte Leuchtturm für Kinder werde wohl eher als öffentliches Pissoir missbraucht, mutmaßten die Prüfer angesichts des Gestanks.

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