Krisenbehöre MA 35: Externe Berater sollen Chaos beseitigen

Krisenbehöre MA 35: Externe Berater sollen Chaos beseitigen
Christoph Wiederkehr erklärt, wie er die immer noch vorhandenen Probleme in der Einwanderungsbehörde in den Griff bekommen will.

Christoph Wiederkehr über die Problembehörde MA 35, die hohe Neuverschuldung der Stadt und coronabedingte Schulschließungen.

KURIER: Sie haben versprochen, die Probleme bei der MA 35 durch mehr Personal zu lösen. Dennoch gibt es weiter fast tagtäglich Meldungen über Missstände. Warum bekommen Sie das nicht in den Griff?

Christoph Wiederkehr: Ich habe mich von Tag eins an um eine Reform bemüht und es ist schon viel gelungen. Es gibt 50 neue Mitarbeiter und ein telefonisches Service-Center, bei dem im ersten Monat des Testbetriebs schon 25.000 Menschen angerufen haben. Im Dezember startet der reguläre Betrieb. Nun soll eine externe Firma den Reformprozess begleiten, damit wir zu kürzeren Verfahren kommen.

Können Sie Details nennen?

Es gab ein europaweites Vergabeverfahren und den Zuschlag erhielt „Pure Management Group“. Ein wichtiges Ziel ist, das künftig alle der jährlich rund 150.000 Verfahren elektronisch ablaufen. Bisher gab es leider keinen digitalen Akt. Die Firma begleitet uns mindestens die nächsten vier Jahre, die Kosten liegen bei knapp unter 300.000 Euro.

Ist das nicht ein ungewöhnlich langes Engagement?

In dieser Behörde gibt es sehr viele Veränderungen, die auch durch Gesetzesänderungen bedingt sind. Daher ist die Reform nicht nach einem Jahr abgeschlossen. Letztlich soll die Behörde trotz ihrer Größe so agil werden wie ein Start-up.

Häufig wird gesagt, Sie hätten die Probleme von Ihrem SPÖ-Vorgänger Jürgen Czernohorszky geerbt.

Man kann die Verantwortung nicht auf ihn abwälzen. Das gesetzliche Umfeld wurde vom Bund immer wieder geändert und bewusst schikanös gehandhabt. Und es gab Herausforderungen, mit denen niemand rechnen konnte: Der Brexit mit 5.000 zusätzlichen Verfahren, die Einbürgerung von Nachfahren von Menschen, die in der NS-Zeit verfolgt wurden. Und schließlich Corona, das den Kundenkontakt beschränkt hat.

Im Zusammenhang mit Mitarbeitern der MA 35, die das Telefon nicht abheben, haben Sie eine interne Revision angekündigt. Liegen schon Ergebnisse vor?

Sie hat festgestellt, dass es in einigen Bereichen der Behörde aufgrund von Überlastung nicht immer möglich ist, das Telefon abzuheben. Mit dem telefonischen Servicecenter haben wir dieses Problem behoben.

Stimmt es, dass viele Beamte, mit denen es anderswo Probleme gegeben hat, in die MA 35 versetzt werden?

Das ist ein Gerücht, das ich nur dementieren kann. Wir haben aber ein Problem mit der Fluktuation. Viele Mitarbeiter hören kurz nach der Einschulung wieder auf. Deshalb beschäftigen wir uns im Reformprozess auch damit, wie wir die Arbeitsbedingungen verbessern können.

Laut Experten herrsche in der Behörde „struktureller Rassismus“. Können Sie diesen Vorwurf entkräften?

Das sind schwerwiegende Vorwürfe. Ich erlebe sehr viele Mitarbeiter, die sehr bemüht sind und ein großes Interesse daran haben, dass die Verfahren gut laufen. Es gibt außerdem spezielle Anti-Rassismus-Schulungen, die alle Mitarbeiter absolvieren müssen.

Für höher qualifizierte Fachkräfte gibt es ab sofort ein eigenes Einwanderungsservice – genannt Business Immigration Office. Schwierige Fälle bleiben bei der MA 35. Eine Art Zwei-Klassen-Gesellschaft also.

Vom Business Immigration Office profitiert nicht nur die MA 35 als gesamte Organisation, sondern auch der Wirtschaftsstandort Wien. Das Angebot richtet sich an alle Menschen aus Drittstaaten, die zu uns kommen und hier arbeiten möchten – vom Dachdecker bis zur Forscherin. Die enge Vernetzung von behördlichen Abläufen und mehrsprachiger Beratung ist das richtige Signal und dient als Vorbild für weitere Reformprozesse in der Behörde.

Zum Budget: Wien macht bis 2023 weitere drei Milliarden Euro Schulden. Wie können die Neos das mittragen?

Die Pandemie führt überall zu Ausfällen bei den Einnahmen und zu Mehrausgaben. Jetzt, in der Krise, ist es sinnvoll, zu investieren. Etwa im Bildungsbereich, in dem es ein starkes Budgetplus gibt. Langfristig müssen wir ausgeglichen bilanzieren, das ist richtig. Derzeit geht das nicht.

Vor zwei Jahren waren Sie in Opposition deutlich strenger. Die SPÖ hat damals ein Nulldefizit präsentiert und Sie haben dennoch fehlende Einsparungen bei der Verwaltung kritisiert.

Man kann 2019 nicht mit 2021 vergleichen. Das Thema Einsparungen bleibt für die Neos aber essenziell.

Es wird bis zum Jahr 2023 in keinem einzigen Bereich der Stadt gespart. Alle kriegen mehr Geld.

Das ist angesichts der Pandemie jetzt auch sinnvoll. Aber es wird innerhalb unserer Koalition die Zeit kommen, in der wir besprechen müssen, wo es Einsparungen geben kann.

Zu Corona: Wien plant Impfstraßen für Fünf- bis Elfjährige. Ist das sinnvoll, obwohl der Impfstoff von der Arzneimittelbehörde EMA noch gar nicht zugelassen wurde?

Es ist ein Angebot, weil wir immer mehr Anfragen von Eltern bekommen. Es gibt mittlerweile ausreichend wissenschaftliche Evidenz, die für die Impfung von Kindern spricht. In der Impfstraße wird mit den Eltern ein fachärztliches Gespräch geführt, dann erst wird entschieden. Darüber hinaus hoffe ich, dass die Zulassung durch die EMA bald erfolgt.

Können Sie garantieren, dass die Schulen offen bleiben?

Das ist mein oberstes Ziel. Bevor es zu Einschränkungen an den Schulen kommt, muss es strengere Regeln für Ungeimpfte geben. Kinder und Eltern leiden schon viel zu lange unter Lockdowns.

Ihre Partei hat sich – anders als die SPÖ – immer gegen den Lobautunnel ausgesprochen. Hoffen Sie, dass die grüne Umweltministerin das Projekt stoppt?

Ich hoffe, dass die sie bald entscheidet. Meine Position ist klar: Ich halte den Lobautunnel weder ökonomisch noch ökologisch für sinnvoll.

Sie wünschen sich ein Nein?

Ich bin nicht am Zug. Ich bin aber dafür, dass wir uns in Wien – auch innerhalb der Koalition – jetzt schon Alternativen zum Tunnel überlegen. Mein Fokus ist es nicht, Straßen zu bauen. Sondern Öffi-Verbindungen und Radwege.

Kommentare