"Kriegsähnlich" oder "ungenutzt"? Die Wiener ÖVP und der Donaukanal
Der Donaukanal hat zwei Seiten. Nein, nicht die beiden Uferseiten, sondern im übertragenen Sinn.
Beim Schwedenplatz ist der Donaukanal voll und laut. Hier treffen sich vor allem junge Menschen auf ein Dosenbier am Ufer, einen Cocktail in einem der Lokale, kurz: hier ist die Szene.
Weiter unten, nach der Franzensbrücke, wird der Donaukanal ruhiger.
Ab Erdberg trifft man sich dort nur noch zum Spazierengehen, laufen oder Rad fahren – oder, um über den Erdberger Steg in den Prater zu kommen.
Genau diesen Abschnitt – konkret von der Rotundenbrücke bis zur Stadionbrücke – will die Wiener ÖVP jetzt neu gestalten. „Das Ufer wird derzeit nicht genutzt“, sagt Laura Sachslehner, türkise Spitzenkandidatin im 3. Bezirk für die Gemeinderatswahlen.
Und das soll sich ändern. Auf der Seite des 3. Bezirks sollen Sport- und Spielplätze errichtet werden, die ÖVP kann sich einen Kletterpark und eine „kleine, feine Gastronomieszene“ vorstellen.
Für den Wahlkampf hat sich die Wiener ÖVP für jeden Bezirk ein Stadtentwicklungsprojekt ausgedacht: Im 13. Bezirk soll die Kennedybrücke saniert, im 2. Bezirk der Handelskai aufgehübscht und im 3. Bezirk eben eine „Freizeitmeile“ am Donaukanal geschaffen werden.
Von Krieg und Eskalation
„Dabei haben die Türkisen zuletzt ganz andere Töne hinsichtlich der Situation am Donaukanal angeschlagen. Ende Juni bezeichnete Karl Mahrer, ÖVP-Sicherheitssprecher und ehemaliger Wiener Polizeipräsident, den Donaukanal noch als „Müllhalde“.
Vor zwei Wochen legte er nach, forderte ein Sicherheitskonzept und sprach im KURIER davon, dass die Zustände am Kanal „kriegsähnlich“ seien. Zumindest in der Nacht. Anfang August war dort ein Österreicher (48) und ein Iraker (25) angegriffen worden; der Iraker starb später im Spital, die Polizei ermittelt wegen Mordes.
Mahrers Rhetorik hat in der Stadt einige Verwunderung ausgelöst, in der ÖVP allerdings nicht. „Wenn man das ansieht und vielleicht nicht weiß, wo das ist, erinnert es daran“, sagt Bernadette Arnoldner, türkise Landesgeschäftsführerin im Gespräch mit dem KURIER. „Das ist eine Eskalation jedes Wochenende“, sagt Arnoldner. Die Polizei allein könne das nicht schaffen, die Stadtregierung müsse mehr tun. Konkret wirft sie ihr „Versäumnisse“ vor.
Warum eigentlich, Bernadette Arnoldner
Die Wiener Polizei, die dem Vernehmen nach nicht ganz so glücklich über die Wortwahl ihres ehemaligen Präsidenten gewesen sein dürfte – schenkt dem Donaukanal nach größeren Partys, Drogendelikten und Betrunknen, die in den Kanal gestürzt waren, nun „größere Aufmerksamkeit“ wie es auf KURIER-Anfrage heißt.
Generell, heißt es von der Polizei, sei der Donaukanal ein „beliebtes Naherholungsgebiet, das vor allem bei Schönwetter eine Vielzahl an Personen anzieht“. Dass die Polizei dort „präventiv“ tätig ist, sei nicht neu und ob die Zahl der Straftaten dort tatsächlich gestiegen ist, werde erst die Kriminalitätsstatistik zeigen. Und die kommt bekanntlich erst Anfang nächsten Jahres.
Leben lassen
Belebung auf der einen Seite, martialische Rhetorik auf der anderen, wie geht sich das aus für die ÖVP? „Wir wollen ja nicht das ganze Leben am Donaukanal zum Erliegen bringen“, beschwichtigt Landesparteichef und Spitzenkandidat Gernot Blümel.
Das Gewässermanagement der Stadt wird am Donaukanal vorerst jedenfalls keinerlei Sicherheitsvorkehrungen verwirklichen, das sei nicht notwendig.
Dass die DHK (die Donauhochwasserschutz-Konkurrenz verwaltet die Ufer) kürzlich Treppenabgänge beschildert hat, diene lediglich der besseren Orientierung für Radfahrer in der Nacht.
Kommentare