Krawalle haben Konsequenzen: Botschafter soll zum Gespräch
Ein Freitagabend in Favoriten. Eine korrekt angemeldete Kundgebung kurdischer und linker Aktivisten wurde von türkischen Störpartien durchbrochen, die offenbar zu den „Grauen Wölfen“ gehören. Zumindest 50 Mal soll der verbotene „Wolfsgruß“ zu sehen gewesen sein, das Symbol der extremen türkischen Rechten es flogen Flaschen, es krachten Böller.
Linke Migranten, die gegen Faschismus demonstrieren, Rechtsextreme ebenfalls mit Migrationshintergrund, die genau das bewusst stören nicht zum ersten Mal in Favoriten. Das hat nun auch Konsequenzen weit über den 10. Gemeindebezirk und die Stadt Wien hinaus, die Bundespolitik schaltete sich am Samstag ein.
Auch am Samstag wurde wieder demonstriert
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kündigte verstärkte Polizeikontrollen „an neuralgischen Punkten“ in Wien sowie anderen Städten an. Gegen die „Hintermänner der Ausschreitungen“ werde vom Verfassungsschutz vorgegangen, wie ÖVP-Innenminister Karl Nehammer betonte. „Ich ersuche die Vereine, die hier immer wieder genannt werden, im höchsten Maß zur Zusammenarbeit.“
Kurz will „Nulltoleranz“
Morgen, Montag, wird Ozan Ceyhun, Botschafter der Türkei in Österreich, zu einem Termin ins Außenministerium eingeladen. Es stünde in Ceyhuns Verantwortung, „deeskalierenden Einfluss zu nehmen“, wie es hieß. „Wir werden es nicht zulassen, dass Konflikte von der Türkei nach Österreich hingetragen und auf unseren Straßen gewaltsam ausgetragen werden“, sagte Kanzler Kurz. „Es ist wichtig, hier eine Politik der Nulltoleranz auszuüben.“
„Graue Wölfe“: Die ultranationalistischen türkischen „Grauen Wölfe“ haben eine Ideologie, die deutschem Nationalsozialismus und italienischem Faschismus gleicht: Antidemokratisch, antiliberal, antisemitisch, diktatorisch. Diese Gruppierung ist politisch in der Türkei in der rechtsextremen MHP (Nationalistische Bewegung) verankert
„Wolfsgruß“: Dies ist der Gruß der „Grauen Wölfe“: Die Finger der rechten Hand so zusammengelegt, dass sie stilistisch einem Wolf ähneln. Seit März 2019 gehört der „Wolfsgruß“ wie auch jenes der faschistischen Ustascha zu den Symbolen, die in Österreich verboten sind und damit unter Strafandrohung stehen: Es drohen Verwaltungsstrafen bis zu 4.000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 10.000 Euro
Auch am späten Samstagnachmittag gab es erneut eine Kundgebung, Start war am Columbusplatz. Die Polizei rüstete sich nicht nur mit einer Hundertschaft an Einsatzkräften, sondern griff auch auf eine Möglichkeit zurück, die befürchteten Störpartien von den Demonstranten im Vorfeld zu trennen: Sie verhängte ein Platzverbot über Teile Favoritens.
So sollten Ereignisse vom Vorabend verhindert werden, bei denen auch Menschen zu Schaden kamen. Ein Polizist wurde verletzt, als ihn eine Flasche traf. Fünf seiner Kollegen erlitten durch Böller einen Tinnitus.
Drei Männer wurden festgenommen, laut Polizeisprecher Patrick Maierhofer kam es bis spätnachts zu „zahlreichen Identitätsfeststellungen und verwaltungsrechtlichen Anzeigen“. Am Samstagabend blieb es bei der Demonstration und dem anschließenden Marsch Richtung türkische Botschaft ruhig. Laut Polizei nahmen daran rund 450 Personen teil.
Debatte um Hebein
Nicht nur verwaltungstechnisch, sondern auch politisch fiel nach dieser eskalierten Demo einige Aufräumarbeit an. Dass Vizebürgermeisterin Birgit Hebein, Grüne, bei der angemeldeten Demo war, passte blauen wie schwarzen Kommunalpolitikern gar nicht. Dominik Nepp, FPÖ-Obmann in Wien, nannte Hebeins Teilnahme „besonders skandalös“ und forderte ihren Rücktritt: „Sie ist ihrem Amt nicht mehr tragbar.“ SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig müsse Hebein „sofort aus ihrer Funktion entlassen“. ÖVP-Stadtrat Markus Wölbitsch sprach von einem „Skandal der Extraklasse“.
FPÖ-Bundesparteichef Norbert Hofer ging weiter und forderte, den „Randalierern die staatliche Hilfe zu kürzen oder streichen“. Außerdem müsse Innenminister Nehammer prüfen, ob dieses Ausmaß an Gewalt unter dem Deckmantel der Demonstrationsfreiheit noch weiter zumutbar ist“.
Hebein betonte am Samstag jedoch, sie sei aus Solidarität mit dem Anliegen der Kurden („Kein Platz für Faschismus“) zur Versammlung gegangen. „In der Zeit, in der sie dort war, war alles friedlich“, versicherte ihre Sprecherin. Die Vizebürgermeisterin habe keinerlei Verständnis für die Gewaltausbrüche.
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