Wolfsgruß oder Schweigefuchs? Ein eindeutig zweideutiges Zeichen

Eine Frau steht in einem Klassenzimmer und formt mit den Fingern eine kleine Geste.
Zwei idente Gesten, die gänzlich anderes bedeuten. Das Problem: Eine ist illegal.

Die einen erheben ihre Stimme, andere wiederum lassen Klangschalen schwingen oder läuten ein Glöckchen: Lehrer wenden oft völlig unterschiedliche Methoden an, um der Schulklasse zu signalisieren, dass Ruhe erwünscht ist.

Eine Pädagogin einer St. Pöltner Schule setzte dabei bisher auf den sogenannten Schweigefuchs. Dabei handelt es sich um ein Handzeichen, bei dem Zeige- und kleiner Finger nach oben gestreckt sowie Mittel- und Ringfinger gegen den Daumen gepresst werden.

Eine völlig unverfängliche Geste, könnte man meinen.

Auch in der Populärkultur taucht sie immer wieder auf. In der deutschen Blockbuster-Komödie „Fack ju Göhte“ verwendet Karoline Herfurth als Lehrerin Elisabeth Schnabelstedt in einer Szene dieses Handzeichen etwa, um die unaufmerksame Klasse zum Schweigen zu bringen.

Doch die Geste ist alles andere als harmlos. Wie eine Mutter den Direktor oben genannter St. Pöltner Schule nun aufmerksam machte, werde durch die Verwendung im Unterricht regelmäßig Gesetzesbruch begangen. Der Grund: Das Handzeichen ist seit dem 1. März 2019 in Österreich verboten. „Ich möchte nicht, dass meinem Kind ein Symbol gezeigt wird, das hierzulande unter Strafe steht“, sagt die Mostviertlerin im KURIER-Gespräch.

Freilich hatte die damalige türkis-blaue Koalition nicht den Schweigefuchs im Sinn, der aus der Öffentlichkeit verbannt werden sollte, sondern den „ Wolfsgruß“.

Ein Mann hält eine rote Fahne bei einer politischen Kundgebung hoch.

Dieser ist als Erkennungs- und Grußzeichen der türkischen rechtsextremistischen „Grauen Wölfe“ bekannt. Das Problem: Beide Handzeichen, bei denen der Kopf eines Fuchses bzw. Wolfes imitiert wird, sind völlig ident – und damit strafbar. Auf Wikipedia wird für beide Darstellungen sogar dasselbe Bild verwendet.

4.000 Euro Strafe

Eine Missachtung des Gesetzes kann teuer werden. Wer in Österreich den Wolfsgruß zeigt, muss mit einer Geldbuße in der Höhe von bis zu 4.000 Euro oder einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Monat rechnen. Im Wiederholungsfall kann die Justiz noch härter durchgreifen.

Die Grafik zeigt drei weit verbreitete Symbole: Wolfsgruß, R4bia-Handzeichen und Victory-Zeichen.

In Deutschland sorgte diese Problematik schon für politische Kontroversen und auch Konsequenzen. So hatte etwa das Kultusministerium 2018 in Baden-Württemberg den Pädagogen geraten, auf den Schweigefuchs künftig zu verzichten.

Ein konkretes Verbot des Schweigefuchses gibt es in der Wiener Bildungsdirektion nicht, es sei aber auch kein Thema. Von der Magistratsabteilung 11 (Kinder- und Jugendhilfe) heißt es unterdessen: „Wir raten in Kindergärten von Schweigegesten jeglicher Art ab. Die Kinder sollen lernen, verbal und in ganzen Sätzen kommunizieren.“

In der Praxis sieht es aber offenbar ein wenig anders aus. Denn eine KURIER-Recherche unter Pädagoginnen und Pädagogen zeigt, dass der Schweigefuchs sehr wohl immer wieder in Verwendung ist.

Mund zu, Ohren auf

Eine Volksschullehrerin erzählt dem KURIER, dass sie während ihrer Ausbildung in der Pädagogischen Hochschule vor vier Jahren in mehreren Seminaren zum Thema „nonverbale Kommunikation“ den Schweigefuchs als Beispiel für mögliche Gesten präsentiert bekommen hat. „Mund zu, Ohren auf, das soll die Geste darstellen“, sagt sie. Auch während ihrer Praxistage hätten Ausbildungslehrerinnen und -lehrer immer wieder von dem Schweigefuchs Gebrauch gemacht.

Eine Lehrerin schreibt „15. Schulübungen“ an eine grüne Tafel vor Schülern.

Auf Nachfrage heißt es von der betroffenen Pädagogischen Hochschule, dass der Schweigefuchs nicht mehr vermittelt werde.

Der Lob-Anker

Die österreichische Expertin auf dem Gebiet der nonverbalen Kommunikation ist die US-Amerikanerin und Wahl-Wienerin Pearl Nitsche. Sie hält im Jahr Dutzende Fortbildungen zu dem Thema. Der Schweigefuchs ist ihr natürlich geläufig – sie verwende ihn aufgrund der Zweideutigkeit aber nicht mehr.

Das sei gar nicht notwendig: „Es gibt so viel bessere Maßnahmen“, die positiver konnotiert seien. Etwa: Die Verwendung von einem speziellen Lied bei bestimmten Aufgaben. Oder: Der „Lob-Anker“. Dabei stellt sich die Lehrperson stets an eine bestimmte Stelle, wenn sie Lob ausspricht. „Nach einiger Zeit muss der Lehrer nur in die Richtung gehen, und schon freuen sich die Schüler.“

Kommentare