Konzept für öffentliche Schanigärten wird in zwei Wochen aufgetischt
Ab morgen, Donnerstag, wird man im Rathaus erfinderisch. Der Anlass: Die Stadt will für Gastronomen, die keinen Platz für eigene Schanigärten haben, kollektive Schanigärten im öffentlichen Raum zur Verfügung stellen – der KURIER hat berichtet.
Diese große Ankündigung muss nun umgesetzt werden.
Viel Zeit dafür bleibt nicht: Gestartet wird morgen, bereits in zwei Wochen soll ein Konzept auf dem Tisch liegen, sagt Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke (SPÖ) im Gespräch mit dem KURIER.
Er wird das Projekt leiten: „Wir beginnen nun mit der Kreativphase mit Experten aus dem Gastrosektor.“ Auch in der Wiener Wirtschaftskammer arbeitet man bereits konkrete Vorschläge aus.
Mit dem Konzept eilt es: Denn schon in zwei Wochen ist die nächste Gesprächsrunde zwischen dem Bund und den Ländern angesetzt, bevor die Wirte am 27. März die Schanigärten aufsperren dürfen. (Die Gasträume bleiben weiter zu).
Heikle Mission
Der Wiener Vorstoß tröstet nur bedingt: Vieles sei auch da einfach noch zu unklar, erzählen Wirte bei einem Rundruf. Für unternehmerische Entscheidungen würden noch zu viele Infos fehlen.
Das sagen Wirte über den Plan der Stadt:
Max Gaspar, Bierbeisl-Chef
„Prinzipiell gute Idee! Die Frage ist aber, ob die Sperrstunde um 20 Uhr bleibt. Davor wird kaum getrunken.“
Markus Artner, Haubenwirt (Mitte)
„Das reicht, um etwas zu trinken. Es ist aber kein Ersatz für ein Abendessen. Dafür ist es noch viel zu kalt“
Andreas Schwirtz, Weinbar-Betreiber
„Ich kann mir das nur schwer vorstellen. Wir bräuchten Strom, Wasser, Kochstelle, Zapfanlage usw. Was kostet das?“
Im Büro des Stadtrats erklärt man das mit den noch fehlenden Vorgaben vom Bund.
Hanke steht allerdings nicht nur aus diesem Grund vor einem heiklen Unterfangen: Schanigarten sind äußerst beliebt und gleichzeitig ein Aufreger – je nachdem, ob man Wirt, Gast, Anrainer oder Autofahrer ist.
Woher der Name Schanigarten rührt, ist nicht eindeutig erwiesen. Theorien gibt es freilich mehrere. Eine der plausibleren: Der erste Schanigarten wurde vom Gastronomen Gianni Taroni betrieben.
Er holte sich im 18. Jahrhundert die Erlaubnis, Gäste am Graben auch vor dem Lokal zu bewirten. Und irgendwann wurde sein Name – Gianni – einfach zu Schani.
Unbestritten ist, dass der Schanigarten zum Wiener Kulturgut zählt. Und so beliebt, wie er ist, so umstritten ist er auch. Da wäre zum einen die Debatte darüber, wie viel Platz die Schanigärten einnehmen dürfen. (Der zentrale Unterschied zwischen Schani- und Gastgarten: Erstere stehen auf öffentlichem Grund.)
Sie nehmen – vor allem in dicht verbauten Bezirken – den Autofahrern Platz zum Parken und den Fußgängern Platz zum Gehen. Den Anrainern nehmen sie wiederum die Ruhe zum Schlafen – Stichwort Sperrstundenregelung.
Heftig debattiert wurde in den vergangenen Jahren über Winter-Schanigärten – also die Erlaubnis für Wirte, ihre Gäste auch zwischen Ende November und Anfang März im Freien zu bewirten.
Die Liberalisierung kam 2017. Mit ihr zogen zahlreiche weitere Vorschriften und höhere Tarife (bis zu 20 Euro pro Quadratmeter) ein. Geregelt ist unter anderem, welche Pflanzen einen Schanigarten zieren dürfen, wie der Sonnenschutz gestaltet sein muss – und dass Tische im Winter tunlichst in der Nacht nach drinnen zu tragen sind.
Wenn Gianni das wüsste!
Wenn die Stadt nun in ganz Wien Schanigärten aufstellt, muss sie all diese Interessen unter einen Hut bringen. Wie das gehen könnte, dazu kristallisieren sich erste Eckpunkte heraus.
Erste Details
Derzeit sieht es danach aus, dass die Stadt die Schanigärten nicht auf Fahrbahnen, Parkspuren oder Gehsteigen errichten wird, sondern auf verkehrsfreien Plätzen. Kolportiert werden der Rathausplatz, der Karlsplatz und der Reumannplatz.
Praktisch heißt diese Variante jedenfalls: Als Standorte für die Schanigärten kommen vor allem Plätze in Frage, in deren Umkreis mehrere Gastronomen mit Bedarf danach angesiedelt sind. Die Kellner können die Speisen und Getränke dann direkt vom Lokal nach draußen zu den Gästen bringen.
Oder die Gastronomen richten auf einem Platz, der weiter von ihrem Lokal entfernt ist, eine Art Dependance ein – etwa in einer temporären Hütte.
Und das schränke die Gruppe der infrage kommenden Gastronomen ein, heißt es aus der Branche.
4.200 Schanigärten gab es im Sommer 2020 in Wien. Rund 2 Euro pro und Monat zahlen Wirte dafür in den billigsten Lagen, in den Topgegenden sind es bis zu 20 Euro.
412 Winter-Schanigärten wurden für die Saison 2019/2020 angemeldet.
6.000 Gastro-Betriebe (darunter sind auch Imbisse) und 1.800 Cafés zählt Wien.
„Das wird ausreichen, um Getränke auszuschenken. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass wir unsere Zielgruppe da bedienen können“, sagt Gastronom Markus Artner, der Hauben-Lokale am Franziskanerplatz und in der Floragasse betreibt. „Wie soll ich da ein Steak zubereiten?“
Juristisches Minenfeld
Die Auswahl der Gastronomen wird ohnehin knifflig – könnten sich nicht zum Zug gekommene doch benachteiligt fühlen und gegen die Auswahl vorgehen. „Wir werden das mit unseren Juristen klar und sauber positionieren“, sagt Hanke.
Was die Infrastruktur betrifft, will die Stadt den Wirten unter die Arme greifen. Denkbar sei etwa, dass man Sanitäranlagen zur Verfügung stelle, so Hanke.
Operativ abwickeln wird das Projekt das Stadt Wien Marketing, das 2020 mit dem Filmfestival Erfahrung mit derartigen Formaten gesammelt habe.
Figl dafür
Nicht schlecht kommt der Plan der Stadt übrigens bei Wiens oberstem Schanigarten-Kritiker, City-Bezirkschef Markus Figl (ÖVP), an. „Im Hinblick auf den verfügbaren Platz ist die Innere Stadt an ihrer Belastungsgrenze angelangt“, sagt er.
Aber: „Schanigärten an Orten wie dem Rathausplatz zu errichten, die bereits regelmäßig auf diese Weise bespielt werden, könnte der Gastronomie helfen, ohne den Druck auf den öffentlichen Raum weiter zu vergrößern.“
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